Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Verwirrung um angeblich prekäre Sicherheitslage im Eichsfeld
Sozialdemokraten in Nordthüringen uneinig. Besuch von Staatsministerin Aydan Özoğuz (SPD) fällt vorerst aus
Heiligenstadt.
Wer hat‘s gesagt? Wann? Und vom wem hatte er die Information? Der eigentlich für den heutigen Samstag im Eichsfeld geplante Besuch von Staatsministerin Aydan Özoğuz stiftete Verwirrung. Unter Bezug auf den SPD-Abgeordneten Steffen Lemme war bekannt geworden, das Kanzleramt habe aus Sicherheitsgründen dafür Sorge getragen, das der Besuch nicht stattfinden konnte. Lemme sagte dazu gestern: „Natürlich besteht ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Ich habe aber nicht gesagt, dass das Kanzleramt eine Reisewarnung für das Eichsfeld herausgibt." Oder doch?
Gehört haben will das der Eichsfelder SPD-Kreisvorsitzende Heinz Funke. Lemme habe ihm gesagt, dass die Staatsministerin Steffen C. Lemme, SPD
nicht kommen könne, weil das Kanzleramt die Lage als nicht ausreichend sicher einschätze. Allerdings: Weder Kanzleramt noch Bundeskriminalamt sind in den vergangenen Tagen mit dem Thema befasst gewesen. Eine BKA-Sprecherin wollte das weder bestätigen noch dementieren. Man spreche nicht über personenbezogene Daten, hieß es auf Anfrage.
Lemme indes bleibt dabei, er habe das Kanzleramt nicht ins Spiel gebracht. Er kandidiert im Bundestagswahlkreis, zu dem
auch das Eichsfeld gehört. Manfred Grund (CDU) ist sein Widerpart bei der CDU. Als die Meldung von einer möglichen prekären Sicherheitslage die Runde machte, wandte sich der Christdemokrat ans Kanzleramt mit der Bitte um Aufklärung.
Die hatte die Staatsministerin zu dem Zeitpunkt allerdings bereits selbst geleistet. Termingründe im Wahlkampf seien der Grund gewesen, weshalb ihr Besuch im Eichsfeld vor der Wahl ausfallen müsse. Er solle aber nachgeholt werden, berichtete sie der Nachrichtenagentur AFP. Hintergrund des geplanten Besuches ist ausgerechnet eine Wahlkampfveranstaltung der AfD. Deren Spitzenkandidat Alexander Gauland hatte vor drei Wochen Özoğuz angefeindet, vor seinen Anhängern in Leinefelde davon gesprochen, man solle sie ins Eichsfeld einladen, um ihr zu zeigen, was eine Leitkultur sei. Und danach könne man sie „in Anatolien entsorgen“.
Gegen Gauland wird deshalb wegen Volksverhetzung ermittelt. Daraufhin hatten zunächst Claudio Lemme, dann der CDUNachwuchs Junge Union (JU) und später auch die Jusos die Staatsministerin eingeladen, damit sie sich ein wirkliches Bild vom Eichsfeld machen könne. Lemme: „Ich warne vor dieser Verrohung, die die AfD betreibt.“Heinz Funke wird dahingehend noch deutlicher: „Ich bin empört darüber, dass die AfD das Eichsfeld für ihren Scheißdreck als Referenzgebiet beansprucht."
Der Eichsfelder Landrat Werner Henning (CDU) schaut indes einigermaßen verwundert auf die Wirren um die Absage des Özoğuz-Besuches. „Alles in allem skurril oder wie aus einer anderen Welt“, sagt er zu den Umständen. Die Welt, in der „gleichermaßen Herr Gauland wie das Umfeld von Frau Özoğuz leben scheint mit der unsrigen kaum kompatibel zu sein.“Zu einer vermeintlichen unsicheren Lage im Eichsfeld sagt er gelassen: „Wer uns kennenlernen will, der kommt einfach – wer sich hingegen fürchtet, dem sind wir wiederum auch nicht so wichtig.“Sollte der Besuch nach der Wahl stattfinden, so sei ihm Özoğuz herzlich willkommen.