Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Löws taktische Missgeschicke
Holger Zaumsegel über einen lernfähigen Bundestrainer
Vielleicht entsinnen Sie sich noch ans Em-halbfinale 2012: Deutschland traf auf Italien und Bundestrainer Joachim Löw tat, heute wissen wir es, einen kapitalen taktischen Fehlgriff. Er kommandierte Toni Kroos zum Sonderbewacher des italienischen Spielmachers Andrea Pirlo und verzichtete dafür auf Offensivkraft Thomas Müller – mit schlimmen Folgen. Kroos bekam Pirlo, der das 1:0 vorbereitete, nicht in den Griff, und Müller fehlte bis zu seiner späten Einwechslung beim EM-AUS (1:2) der deutschen Offensive.
Vor solchen taktischen Vabanquespielen ist der Bundestrainer seitdem zwar nicht gefeit, doch zeichnete ihn zwei Jahre später in Brasilien aus, dass er solche Fehlgriffe auch beheben kann. Am Zuckerhut störte es die Millionen Bundestrainer zu Hause, dass Kapitän Philipp Lahm à la Guardiola im Mittelfeld umherirrte, während die Außenverteidiger-positionen mit gelernten Innenverteidigern besetzt wurden. Zum Glück reagierte Löw da rechtzeitig: Im Viertelfinale gegen Frankreich beorderte er Lahm nach rechts hinten. Der Kapitän spielte dort bis zum Turnierende und der Rest ist eine erfreuliche deutsche Fußballgeschichte.
Blicken wir auf die bisherige EM, muss sich Löw in den ersten beiden Spielen wieder taktische Fehler vorwerfen lassen. Benedikt Höwedes ist kein Außenverteidiger und vorne braucht es keine falsche Neun wie Mario Götze, sondern einen echten Mittelstürmer. Mit der Hereinnahme von Mario Gomez ins Sturmzentrum und dem einstigen Leipziger Joshua Kimmich hat der Bundestrainer nicht nur seine Lernfähigkeit erneut bewiesen, sondern diesmal für ihn ungewohnt früh auf taktische Missgeschicke reagiert. Das lässt für den weiteren Turnierverlauf hoffen.