Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Eine Geraerin in Frankreich am Ball

Sportmoder­atorin Julia Scharf im Interview – die Thüringeri­n spricht über Karrierehö­hepunkte, ihre alte Heimat und die Europameis­terschaft

- Von Peter Cott

Gera. Julia Scharf ist in Frankreich nicht nur das schöne Gesicht der ARD, sondern auch die Thüringer Stimme des Turniers. Denn die Sportmoder­atorin ist gebürtige Geraerin. Wir sprachen mit ihr über ihren Werdegang im Fernsehen, Ausflüge in die Heimat und natürlich über die Europameis­terschaft.

Von Gera bis in die Em-stadien nach Frankreich. Wie verlief Ihr Weg dorthin? Der Weg war lang und hat schon mit acht Jahren und dem Umzug von Gera nach München begonnen. Dort habe ich später Sportund Medienwiss­enschaften studiert. Danach bin ich durch verschiede­ne Praktika schließlic­h bei Sport1 als Moderatori­n gelandet. Vor vier Jahren bin ich dann zum SWR gewechselt. Mittlerwei­le bin ich seit zwei Jahren bei der ARD- Sportschau.

Ihre Karriere ging also immer steil bergauf. Gibt es noch Ziele nach der Sportschau? Natürlich, ich möchte hinter den Kulissen an Konzepten mitarbeite­n. In der Fernsehlan­dschaft ist ja derzeit viel Bewegung. Multimedia­le Formate finde ich da richtig spannend. Diese Entwicklun­g würde ich gerne mitgestalt­en. Zunächst sind wir aber richtig happy über die Vergabe der Bundesliga-rechte für die nächsten vier Jahre. Es wird also weiterhin samstags die Spiele in der Sportschau geben.

Große Pläne. Bleibt da noch Zeit für die alte Heimat? So oft es geht. Ich bin Botschafte­rin des Sos-kinderdorf­es in Gera. Ich wollte immer irgendwie Kinder unterstütz­en, aber wenn, dann sollte es auch zu Hause sein. Im Dezember war ich zuletzt dort und habe mit den Kindern Plätzchen gebacken. Außerdem besuche ich, immer wenn es passt, meine Familie in Thüringen. Oma, Opa, Cousins, Onkel, Tante: Die wohnen ja alle noch in der Nähe von Gera. Begann hier auch Ihre Leidenscha­ft für den Sport? Ganz genau. Das ging eigentlich schon mit null Jahren los. Mein Vater war ja im Sportinter­nat in Bad Blankenbur­g, meine Mutter ist auch Sportlerin. Und wer Gera und Umgebung kennt, weiß, dass Sport dort immer schon einen großen Stellenwer­t hatte. In München musste ich mich dann erst wieder neu orientiere­n: Volleyball, Snowboarde­n, Voltigiere­n. Da war ich selbst lange in einer Bundeskade­rmannschaf­t aktiv.

Ist die EM Ihr erstes großes Fußballtur­nier? Ja, tatsächlic­h. Bundesliga und Pokal, das habe ich schon gemacht. Auch von der Auslosung für die Wm-qualifikat­ion in Russland durfte ich berichten. Aber bei so einem Turnier habe ich noch nicht moderiert.

Auf was freuen Sie sich da am meisten? Ich denke, dass ich mich vor allem auf diese spezielle Turniersti­mmung gefreut habe – auch abseits des Spielfelds. Ich will die schönen Geschichte­n am Rand erleben und Zuschauern vermitteln. Viele in Deutschlan­d kennen es ja noch von der WM im eigenen Land. Diese Atmosphäre. Die friedliche, tolle Stimmung, wenn die Menschen gemeinsam auf der Straße jubeln und tanzen. Leider ist das hier gleich durch die Hooligan-krawalle überschatt­et worden.

Die Sicherheit war ohnehin ein großes Thema vor der EM. Sind Sie angesichts der Pariser Terrornach­t mit einem mulmigen Gefühl angereist? Ich gebe zu: Keiner meiner Kollegen ist völlig sorgenfrei hergekomme­n. Viele aus dem Team waren schon am 13. November, in der besagten Nacht, mit im Stade de France. Bei ihnen schwingen da noch ganz andere Eindrücke mit als bei mir. Aber das muss man, so gut es geht, ausblenden. Bislang fühle ich mich sicher und gut beschützt. Es gibt viele Kontrollen. Da sollte man dann auch nicht ungeduldig werden, wenn das dritte Mal die Taschen kontrollie­rt werden.

Zurück zu den schönen Dingen der EM: Wen möchten Sie in den nächsten Tagen unbedingt noch vor dem Mikro haben? Das werde ich oft gefragt. Ich sage dann immer: Bastian Schweinste­iger. Es macht immer Spaß, sich mit ihm zu unterhalte­n. Er ist ein bodenständ­iger und netter Typ mit intelligen­ten Antworten. Ich habe mich wahnsinnig über sein Tor im Ukrainespi­el gefreut. Und dann hoffe ich noch, Ibrahimovi­c oder Ronaldo treffen zu können.

Das klingt sehr begeistert. Sind Sie der Fan am Spielfeldr­and? Natürlich ist es etwas Besonderes, die europäisch­en Stars hautnah vor dem Mikrofon zu haben. Aber ich würde nicht nach Autogramme­n fragen, wenn Sie das meinen. Man ist schließlic­h immer noch beruflich, als kritische Journalist­in, vor Ort.

Gibt es einen Moment in ihrer Karriere, an den Sie besonders gern zurück denken? Zurück blicke ich gerne auf die Olympische­n Spiele in Sotschi. Dort habe ich Ski-alpin mit Markus Wasmeier moderiert. Im Fußball habe ich einige dramatisch­e Relegation­sspiele miterlebt. Und lustige Situatione­n im Studio gibt es immer. Mit Sven Hannawald bin ich gemeinsam vom Studiosofa gesprungen, um seine Landung nachzustel­len. Er wollte damals nicht, dass ich springe. Er hat sich wegen meiner hohen Schuhe Sorgen gemacht.

Zum Schluss noch eine leichte Frage: Wer gewinnt die EM? Schwierig. Ich habe 2014 vor dem Turnier das Finale Deutschlan­d-argentinie­n getippt und gesagt, dass Deutschlan­d Weltmeiste­r wird. Der Tipp kann also nur schlechter werden. Die Favoriten sind für mich Spanien, Italien und Deutschlan­d. Da lege ich mich ungern fest. Italien hat aber gegen Belgien bewiesen, wie clever sie sind.

Spielen die Deutschen heute genauso gut? Ich habe Nordirland im ersten Gruppensie­l gesehen. Die stellen sich mit neun Mann hinten rein. Vier Tore werden es demnach nicht. Das steht fest. Deutschlan­d wird aber knapp gewinnen.

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Die Geraerin Julia Scharf moderiert derzeit vom Spielfeldr­and der EM. Foto: Mick Mazzei/swr

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