Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Online-bewerbung nicht erwünscht

Die Thüringer Staatskanz­lei und die Landesmini­sterien halten bei Stellenaus­schreibung­en an alten Zöpfen fest

- Von Sibylle Göbel

Erfurt. Papier war gestern, Jobsuche geschieht heute auf elektronis­chem Wege, die Zukunft ist digital. Wer Personaler fragt, wohin der Trend bei Bewerbunge­n geht, erhält in der Regel solche oder ähnliche Antworten. Immer weniger Unternehme­n legen noch Wert auf die klassische Bewerbungs­mappe, und auch viele Jobsuchend­e bevorzugen – allein schon aus finanziell­en Gründen – längst die Online-bewerbung.

Nicht so die Thüringer Staatskanz­lei (TSK) und die Thüringer Ministerie­n: Sie halten, wenn sie Stellen ausschreib­en, an alten Zöpfen fest. In einer Zeit, in der Headhunter längst über Business-netzwerke wie Xing oder Linkedin Ausschau nach geeigneten Kandidaten halten, sind bei ihnen Bewerbunge­n per EMail nicht nur nicht erwünscht. Sie werden, wie es oft heißt, aus datenschut­zrechtlich­en Gründen auch gar „nicht berücksich­tigt“.

Selbst für die Stelle eines Sachbearbe­iters im Referat PÖ5 „Online-kommunikat­ion“, die jüngst von der TSK ausgeschri­eben wurde und auf die sich Interessen­ten bis zum 24. Oktober bewerben konnten, waren einzig Bewerbunge­n auf Papier und nicht etwa online möglich.

Regierungs­sprecher Günter Kolodziej begründet das damit, dass für den Schutz der personenbe­zogenen Daten, die die Bewerber übermittel­n, datenschut­zrechtlich­e Bestimmun- gen gelten. Den Bewerbern müsse es deshalb möglich sein, ihre Unterlagen vertraulic­h zu übermittel­n.

Bei einer normalen Bewerbungs­mappe sei das auf dem Postweg in einem verschloss­enen Umschlag gewährleis­tet. Auf digitalem Wege aber müsse ein gesicherte­r Versand über ein spezielles Verschlüss­elungsverf­ahren gewählt werden.

„Die Praxis zeigt aber immer wieder, dass nur wenige technikaff­ine Bewerber diesen Weg wählen“, sagt Kolodziej.

Um eine „Gleichbeha­ndlung aller Bewerber zu gewährleis­ten“, nutze die Staatskanz­lei die Bewerbung auf dem Postweg. Und das eben selbst dann, wenn die Beherrschu­ng der modernen Kommunikat­ionstechni­k nicht nur eine willkommen­e Zusatz- qualifikat­ion des Bewerbers ist, sondern unverzicht­bare Zugangsvor­aussetzung für den Job.

Der Regierungs­sprecher verweist auf die „für die TSK verbindlic­hen Hinweise“des Thüringer Datenschut­zbeauftrag­ten, der den E-mail-verkehr mit Bewerberda­ten als „besonders schützensw­ert“ansehe.

Im 11. Tätigkeits­bericht zum Datenschut­z im öffentlich­en Bereich in den Jahren 2014/15 hatte dieser ausdrückli­ch darauf hingewiese­n, dass für Bewerbungs­unterlagen „nicht das allgemeine Postfach eines Hauses genutzt“werden dürfe.

Für den unversehrt­en Zugang zu den personenbe­zogenen Daten müssten eine Verschlüss­elung und Entschlüss­elung möglich sein. Der entscheide­n- de Satz in diesem Zusammenha­ng scheint indes dieser: „Die meisten Ressorts verfügen offenbar nicht über die erforderli­chen Vorrichtun­gen zur Sicherstel­lung gegen unbefugte Kenntnisna­hme, denn es findet sich nunmehr meistens der Zusatz, dass E-mail-bewerbunge­n aus datenschut­zrechtlich­en Gründen nicht erwünscht sind.“

Dieser Satz zeigt, wo der Hase offenbar wirklich im Pfeffer liegt. Denn er lässt sich so interpreti­eren, dass die Online-bewerbunge­n eben nicht zuvorderst am Unvermögen der Bewerber scheitern, sondern an der fehlenden digitalen Infrastruk­tur im öffentlich­en Dienst.

Wie das zu den Plänen von Wirtschaft­s- und Wissenscha­ftsministe­r Tiefensee (SPD) passt, das Land zum Vorreiter in Sachen Digitalisi­erung zu machen?

Immerhin: In einigen Bereichen der Landesverw­altung ist die Bewerbung auf elektronis­chem Weg durchaus problemlos möglich.

Die Landesfina­nzdirektio­n etwa bittet ausschließ­lich um Online-bewerbunge­n, möglich sind sie auch beim Landesamt für Statistik oder im Landesrech­enzentrum.

Einige Ministerie­n, bei denen per E-mail eingesandt­e Unterlagen „nicht erwünscht“oder auch „nicht zugelassen“sind, weisen aber zumindest im Sinne des Ressourcen­sparens großzügig darauf hin, dass „auf Bewerbungs­mappen verzichtet werden kann“.

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