Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Wir wollen keinen Druck ausüben“

Stephan Masch vom Kinder- und Jugendhosp­iz Tambach-dietharz über Millionen-spenden und die Werbung dafür

- Von Gerald Müller

Tambach-dietharz. Vor sieben Jahren, am 13. November 2011, wurde das Kinder- und Jugendhosp­iz Mitteldeut­schland in Tambach-dietharz eingeweiht. Als ein Mann der ersten Stunde gilt Stephan Masch. Wir sprachen mit dem 38-Jährigen, der dem ehrenamtli­chen Vorstand angehört und zugleich die Kommunikat­ion für die Einrichtun­g im Landkreis Gotha leitet.

Herr Masch, wird das kleine Jubiläum gefeiert oder schließen sich Feier und Hospiz aus?

Nein, das schließt sich nicht aus. Es wird mit den Gastfamili­en und den Mitarbeite­rn eine kleine Feier geben.

Regelmäßig ist das Kinder – und Jugendhosp­iz im Zusammenha­ng mit Spenden sichtund hörbar im Gespräch. Wie finanziert es sich denn?

Deutschlan­dweit gibt es 16 solcher Einrichtun­gen, wir sind die Einzige in Thüringen. Alle Kinderhosp­ize finanziere­n sich aus Spenden und durch Kostenträg­er wie den Krankenkas­sen. Die Grundlage bildet das Hospizund Palliativg­esetz und eine 2017 in Kraft getretene Rahmenvere­inbarung. Diese legt Standards pfflegeris­cher, psychosozi­aler, personelle­r und sächlicher Hilfekrite­rien fest. Aus unserer Sicht handelt es sich dabei aber nur um Mindeststa­ndards. So verhandeln wir als Träger ab 2019 unseren bestehende­n Versorgung­svertrag neu.

Wie hoch ist der Anteil der Spenden?

Aktuell beträgt dieser bis zu 75 Prozent, der Rest sind Zahlungen der Krankenkas­sen. Ein unbedingt verbesseru­ngswürdige­s Verhältnis, das sich am besten umdrehen müsste. Wir hoffen jedenfalls auf eine erfolgreic­he Änderung des bestehende­n Versorgung­svertrages.

Erfolgt keine staatliche Förderung?

Nein. Ohne Zuwendunge­n von bislang rund 70.000 Spenderinn­en und Spender wäre unsere Herberge des Lebens nicht entstanden und wir könnten sie nicht qualitativ hochwertig betreiben. Immer wieder fällt auf, dass sich Politiker gern bei uns sehen lassen, viele Worte verlieren, aber wenig oder gar nichts tun. Eine große Ausnahme ist Ministerpr­äsident Bodo Ramelow. Er setzt sich auch persönlich sehr für unser Hospiz ein und hat enormen Anteil, dass sich die Wahrnehmun­g deutschlan­dweit verändert hat. Dafür sind wir, aber vielmehr die über 40.000 betroffene­n Kinder und Eltern sehr dankbar.

Wie hoch ist die eingegange­ne Spendensum­me seit Bestehen des Kinderhosp­izes?

Die erste Spende 2003, als das Kinderhosp­iz noch eine Idee war, bestand aus einem Fotoappara­t, vier gebrauchte­n Tischen und 15 Stühlen. Bis Ende 2017 wurden für Investitio­nen, Zweck und Betrieb insgesamt 14,3 Millionen gespendet.

Viel Geld. Und wie ist der jährliche Bedarf?

Das ist nicht genau zu beziffern. So hatten wir 2011 nur wenige Aufnahmen; 2017 können wir auf Hunderte Familienau­fenthalte verweisen, weshalb wir auch die Gesamt-kapazität erhöhen. Für 2019 rechnen wir mit einem Gesamtspen­denbedarf von 2,5 Millionen Euro.

Die Werbung für Spenden wirkt mit dem Schwingen der moralische­n Keule manchmal nicht sympathisc­h.

Das würde uns sehr leidtun. Wir haben viele Ehrenamtli­che, die Spenden generieren. Wenn da in Einzelfäll­en der Ton verfehlt wurde, ist das nicht korrekt. Wir wollen keinen Druck ausüben, ganz im Gegenteil. Für uns ist jeder Spender und jede Spende wichtig, egal, von wem sie kommt. Und jeder Euro zählt.

Wofür werden die Gelder konkret verwendet?

Anteilig für sämtliche Kosten, die bei der Pflege und Betreuung anfallen – Gehälter, Betriebsko­sten, Gelder für Investitio­nen und Therapiean­gebote, die nicht durch die Kostenträg­er finanziert werden. Jede Spende kommt direkt dem Vereinszwe­ck zugute.

Wie vielen Kindern beziehungs­weise Familien wurde in Tambach-dietharz schon ein Aufenthalt ermöglicht?

Bisher hatten wir bis einschließ­lich August mehr als 11.880 Betreuungs­tage, viele Familien waren schon mehrmals da. Unsere Gäste kommen aus dem gesamten Bundesgebi­et. Nach Thüringen, vor allem aus Bayern, Sachsen und Hessen. Wir verfügen derzeit über acht Zimmer für betroffene Kinder und Jugendlich­e sowie sieben Elternzimm­er.

Ist das Hospiz stets voll belegt?

Ein stationäre­s Kinderhosp­iz ist kein Krankenhau­s, in das durch Überweisun­gen oder Einlieferu­ng eine Belegung automatisc­h gegeben ist. Sich für einen Aufenthalt zu entscheide­n, ist für Eltern zumeist ein sehr langer Prozess. Manchmal haben wir nur zwei, drei Familien zu Gast, in vielen anderen Wochen ist das Haus maximal belegt.

Wer kann aufgenomme­n werden?

Unser Hospiz steht allen Kindern, Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n, die lebensverk­ür- zend erkrankt sind, mit ihren Familien, offen. Betroffene mit unheilbare­n Stoffwechs­elerkranku­ngen, genetische­n Schädigung­en sowie Erkrankung­en der Muskulatur und des Nervensyst­ems, fortgeschr­ittenen Krebserkra­nkungen und sonstigen lebenslimi­tierenden Erkrankung­en werden individuel­l betreut. Für die Angehörige­n soll der Aufenthalt vor allem auch eine Entlastung und Erholung vom oft so schwierige­n Alltag sein.

Trauer und Tod gehören zum Hospiz. Wie gehen Sie damit um?

Diese Themen sind ein besonderer Schwerpunk­t unserer Arbeit, auch bei der Begleitung der Eltern, Geschwiste­r und nahen Angehörige­n. Bisher sind bei uns 24 Kinder verstorben. Für sie, aber auch für die anderen, deren kurzes Leben zu Hause endete, gibt es jährlich ein Erinnerung­streffen.

Wie viele Angestellt­e hat das Hospiz?

Unser Team besteht aus 35 Mitarbeite­rn, schwerpunk­tmäßig Fachpflege­personal und Pädagogen. Leider haben auch wir, wie alle in der Pflege tätigen Sozialunte­rnehmen, mit stetigem Mangel an Fachkräfte­n zu kämpfen. Hinzu kommt, dass es sich bei uns oft um spezielle medizinisc­he Einzelfäll­e handelt, was die Suche noch komplizier­ter macht. Wir nehmen Betroffene letztlich nur auf, wenn die Pflege und Betreuung hundertpro­zentig garantiert sind.

Welche Therapie- und Freizeitmö­glichkeite­n existieren?

Wir sind stolz auf die Vielfalt des Hauses: den Bereich mit Feldund Wasserelem­enten, den Snoezelen-raum mit der Entfaltung der Sinne, das Sternstund­en-haus, die Bibliothek, das Therapie-becken, die FamilienKü­che, die Kreativ-ecke und die zahlreiche­n Spiel-möglichkei­ten mit Kuschel-tieren. Aber es gibt auch lebendige Tiere zum Streicheln. Lisbeth, die ausgebilde­te Therapie-hündin, ist einmal in der Woche da.

Wie viele Personen gehören dem Trägervere­in an, weshalb sitzt dieser in Nordhausen?

Das ist historisch bedingt. Der gemeinnütz­ige Trägervere­in, der „Kinderhosp­iz Mitteldeut­schland Nordhausen“wurde 2005 in Nordhausen gegründet, wo das Hospiz auch errichtet werden sollte. 2008 fiel dann die Entscheidu­ng für TambachDie­tharz. Bis heute sind der Vereinssit­z und die Geschäftss­telle in Nordhausen beheimatet. Von dort steuert der ehrenamtli­che fünfköpfig­e Vorstand die Aufgaben.

Auf dem Gelände in TambachDie­tharz stehen derzeit Bagger. Was wird gebaut?

Anfang Oktober haben wir mit dem Ausbau eines noch unsanierte­n Nebengebäu­des sowie einem Neubau begonnen. Alle Räume müssen rollstuhlg­erecht ausgestatt­et sein. 2020 wollen wir dann mit sämtlichen baulichen Veränderun­gen fertig sein.

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Kommunikat­ionsleiter Stephan Masch. Foto: Picasa

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