Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Heute auf dem Speiseplan: Ingwer und Kokosnüsse

Der Supermarkt ist eine große Kunststoff-wüste. Wer Natur pur möchte, muss zum Trüffelsch­wein werden

- Von Thomas Müller

Nordhausen. Für 2,06 Euro bekommt man bei einem Fleischer in Nordhausen 66 Gramm Gehacktes, vier Scheiben Lachsschin­ken und je eine Scheibe Römerbrate­n und Schweinezu­nge in Aspik. Kostenlos dazu gibt es einen Berg Plastemüll.

Zwischen jede Scheibe legt die nette Frau etwas Klarsichtf­olie, dann das Ganze in eine Plaste- und schließlic­h in eine Papiertüte. Auf Wiedersehe­n!

Es ist der erste Einkauf meines Plastefast­ens. Nie sprangen mir die Kunststoff­behältniss­e derart ins Auge. Die gesamte erste Abteilung in dem gut sortierten Supermarkt ist ein Haufen Plaste. Möhren oder Weintraube­n gibt‘s nur umwickelt. Selbst Zitronen muss ich streichen, weil das Netz darum irgendwann in den Bäuchen von Fischen im Meer landen würde – und am Ende wieder in unseren Mägen.

Dafür gäbe es Ingwer und Kokosnüsse ganz ohne Plastik. Die Kinder werden sich freuen. Zum Glück bieten sich mit Tomaten und Gurken gute Alternativ­en. Möhren hingegen sind hier nur eingepackt zu haben.

Die Kartoffeln sehen harmlos aus. Doch bei näherem Hinschauen entpuppt sich jedes Netz als Plasteverp­ackung. Also die Frühkartof­feln aus Zypern – dreimal so teuer wie die anderen und noch etwas schmutzig.

Mist, eine Tüte kommt jetzt nicht in Frage. Und 20 Kartoffeln aufs Laufband an der Kasse legen? Käme bestimmt nicht gut. Ich ziehe den grünen Stoffbeute­l aus der Tasche. Von Oma Karla. Rein mit den Zyprioten.

Es geht weiter durch Plastewüst­en – Kartoffels­alat und Wraps, Jogurt und Tortellini. Was kann man nicht alles schön einpacken, damit es viele Wochen hält. Gerade vor dem Hintergrun­d des kürzlich verschärft­en Katastroph­enschutzes der Bundesrepu­blik sollten die Sachen doch haltbar sein. Was nützt einem das plastefrei­e Meer, wenn der Russe angreift und die Tortellini in meinem Versteck schlecht sind, weil ich auf Plaste verzichten wollte.

In Worbis gibt es übrigens, wie mir eine nette Leserin zutrug, eine Firma, die komplett recycelte „Veggie Bags“vertreibt. Hergestell­t allerdings in China, aber unter fairen Bedingunge­n, wie der Vertriebsl­eiter Sebastian Gottlieb versichert.

Keine Chance habe ich bei den Cornflakes. Selbst die gesündest erscheinen­den Ökoflocken, die ich am Ende vor lauter Angst greife, die Kinder könnten mich aus dem Haus treiben, sind zwar mit Papier umhüllt, aber eben beschichte­tem. Verständli­ch, denn ohne das wären die Flocken nicht mehr knusprig. Sogar in der DDR – wo Quark in Butterbrot­papier und Negerkuss in Papiertüte­n angeboten wurden – verkaufte man Cornflakes in Plastebeut­eln.

Die Auswahl am Kühlregal ist etwas eingeschrä­nkt. Milch in Flaschen, aber nur die 3,8-prozentige. Jogurt in Gläsern, aber nur der 10-prozentige. Plastefast­en heißt, sich einzuschrä­nken. Zumal in der Provinz. Aus Erfurt und Braunschwe­ig schreiben mir Leser, ermutigen mich, bei ihnen gebe es Läden, die nur unverpackt­e Produkte verkaufen. Ein Trost. Ich komme. Wenn ich Zeit hab‘.

Ein Wochenende Plastefast­en steht bevor. Das Ergebnis lesen Sie am Montag in Ihrer TA

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Warum sind Süßigkeite­n so extrem verpackt? Warum braucht man für eine Scheibe Römerbrate­n so viel Plaste? Und gibt es Menschen, die eine Kiwi nicht schälen können? Viele Fragen für Thomas Müller. Oben links der Veggie Bag von Chico Bag.

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