Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Die Kinder wurden gedemütigt
Zum Schulsystem in der DDR
Zum Leserbrief „Schulzeit in der DDR war die schönste Zeit des Lebens“(TA vom 18. Mai): Leider kann ich die Lobrede nicht unterstützen. Zwei Generationen meiner Familie haben unter dem Schulsystem der DDR und besonders unter Frau Honecker gelitten. Mein Vater kämpfte hart mit der Volksbildung, als es im Jahr 1955 um meine Oberschulzulassung ging. Es war demütigend. Bei meiner Schwester, 3. Kind, musste er 1965 wieder kämpfen – Folge davon war ein Herzinfarkt.
Meine beiden eigenen Kinder hatten dann in den 80er-jahren keinerlei Chancen auf eine angemessene Schulbildung. In der Elternversammlung sagte die Direktorin sehr deutlich: Unsere Schule vertritt die Ideale des Marxismus-leninismus, da haben sie nichts zu suchen, gemeint waren wir als Christen.
Höhepunkt während der Schulzeit unserer Kinder war die Einführung des Wehrkundeunterrichts durch Frau Honecker. Kinder ab der 5. Klasse mussten militärische Übungen absolvieren und schießen. Wir erreichten zwar eine Befreiung unserer Kinder vom Schießen, dafür mussten sie dann in der Schule Spießrutenlaufen. Für Kinder eine Demütigung, nur, weil die Eltern die rechte Konsequenz aus der Vergangenheit gezogen hatten – Helfershelfer des Pentagon wurden wir betitelt.
Nicht genug: Unser Sohn erhielt keine Lehrstelle. Erst durch Einschalten von Landesbischof Leich wurde ihm eine Lehrstelle zugewiesen, 500 Kilometer vom Wohnort entfernt.
Ängste und Schrecken hat Frau Honecker verbreitet und Menschen ohne eigene Meinung erzogen. Diese Zeit kann ich wirklich nicht als die schönste Zeit des Lebens betrachten.
Monika Linßner, Creuzburg