Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Pullerparty hat gerichtliches Nachspiel
Amtsgericht kann nicht klären, ob Bürgermeister tatsächlich dabei war. Ein Bußgeld muss er trotzdem zahlen
Es war „Schnitzel-freitag“am 12. Februar im „Haus Vogtei“in Oberdorla – wegen der geltenden strengen Coronamaßnahmen nur mit Außer-haus-geschäft. Kunden konnten die vorbestellten Gerichte nach Terminvergabe abholen. Andere Zusammenkünfte, gar die Öffnung der Gaststätte, waren nicht zulässig.
Einige Gäste schien das an jenem Abend aber nicht zu scheren. Martin Christian Hecht, der parteilose und hauptamtliche Bürgermeister der Gemeinde Vogtei, war gerade Vater geworden; acht Frauen und Männer kamen zum Gratulieren. Pullerparty nennt man das in Zeiten ohne Pandemie, ohne Abstandsund Versammlungsregeln.
Der Aussage von Polizei und Landratsamt gegenüber steht die von Martin Christian Hecht. Er sei die ganze Zeit über in der Küche gewesen und habe auch dort erst das Eintreffen der Polizei bemerkt. Zwei Zeugen stellten das laut Gericht ebenfalls glaubwürdig dar.
Einer erklärte, als er in den Gastraum gekommen sei, wären dort bereits mehrere Personen gewesen, die ebenfalls auf Hecht gewartet hätten.
Plötzlich habe auch ein Bier dagestanden, zu dem er gegriffen hätte. Wer ihm das Bier gegeben habe, könne er nicht mehr sagen. Eine Einladung zu dieser Pullerparty habe es nicht gegeben. Allerdings habe auch niemand den Versuch unternommen, Hecht aus der Küche zu holen, um ihm die Glückwünsche zu übermitteln, so der Zeuge. Der Abend sei die beste Gelegenheit gewesen, auch mal zu gratulieren. Am Ende sei es wegen des Bußgeldes aber „ein teures Bier” gewesen, sagte der Zeuge.
„Im Gastraum saßen die Leute. Plötzlich stand da dann auch ein Glas Bier auf dem Tisch.“Ronny K., Zeuge vor Gericht und Teilnehmer der Pullerparty im Haus Vogtei
Der Vorbildfunktion nicht gerecht geworden
Das Gericht stellte das Verfahren trotz der unterschiedlichen Aussagen nicht ein, reduzierte aber das gegen den Bürgermeister verhängte Bußgeld auf 100 Euro – wie bei den anderen Betroffenen. Und Hecht muss die Kosten des Verfahrens tragen. Die Richterin legte zweierlei in die Waagschale, dass Hecht seine Gäste nicht einfach habe abweisen wollen, aber seiner Vorbildfunktion als Bürgermeister nicht gerecht geworden sei.
Als Mitverantwortlicher in der Gaststätte hätte er Sorge dafür tragen müssen, dass Unberechtigte sich nicht einfach im Haus versammeln konnten. Er habe damit fahrlässig gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen.
Laut Hecht sei von keinem der an diesem Abend Anwesenden aufgrund des Treffens ein Infektionsgeschehen ausgegangen, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung nach der Verhandlung erklärte.
Der Ordnungswidrigkeit könnte jedoch ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Öffnung der Gaststätte folgen. Laut Bußgeldkatalog droht dann ein deutlich höheres Bußgeld.