Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Weit mehr als ein Bravourstück
Spitzengeiger Nemanja Radulovic zu Gast im Sinfoniekonzert der Staatskapelle Weimar
Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert in e-moll ist ein Gassenhauer der ernsten Muse, unverzichtbar in jeder bildungsbürgerlichen Cd-sammlung. Auf dieses vermeintlich zutiefst vertraute Werk einen neuen künstlerischen Blick zu werfen, ist eine hohe Kunst, die im zweiten Sinfoniekonzert der Staatskapelle Weimar am Sonntag in der Weimarhalle tatsächlich gelang.
Der charismatische Geiger Nemanja Radulovic vermied als Solist jede zuckrige Süße und tauchte das melodienselige Wunderwerk in ungewöhnlich spätromantische Schwerblütigkeit. Eine gewisse
Ruppigkeit prägte das Allegro molto, das druckvoll und mit großem Ernst eine Geschichte jenseits bloßer Bravourstücke erzählte.
Radulovic intonierte dabei eigenwillig dunkel abschattiert und erweiterte das dynamische Spektrum um Passagen im extremen Pianissimo. Ein starkes Ritardando führte in eine virtuose Kadenz voll spannungsvoller Generalpausen – mit einem Flageolett, das wie eine geschliffene Klinge durch den Saal fuhr. Im permanenten Augenkontakt mit dem einfühlsamen Dirigenten Kevin John Edusei spielte der Solist das lyrische Thema des Andante in ungewohntem Non legato, um schließlich mit federleicht springendem Bogen und technisch makellos durch den Finalsatz zu fliegen. Als Dank an das euphorisierte Publikum ließ Radulovic noch Bachs Sarabanda aus der Partita Nr. 2 in konzentrierter Ruhe erklingen. Nach der Pause kombinierte Kevin John Edusei Auszüge aus Mendelssohns flirrendem „Sommernachtstraum“mit einem Nocturne des kanadischen Komponisten Samy Moussa, das in beeindruckender Orchestrierung und Klangfülle nichts Neues, doch das dafür umso cineastischer präsentierte.
Die Staatskapelle ritt an diesem Abend auf einer wunderbaren Welle des Klangs, wie gleich zu Beginn in Debussys „Prélude à l‘après-midi d‘un faune“, die einfach nicht brach.