Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Kann sich Kurz neu erfinden?
Österreichs Ex-kanzler hat die Qual der Wahl zwischen schwierigen Koalitionspartnern
Berlin. Gut 37 Prozent: Auch die größten Optimisten in der konservativen ÖVP haben nicht mit einem derartigen Ergebnis gerechnet. Es ist ein grandioser Wahlsieg für Österreichs Exkanzler Sebastian Kurz. Doch nun hat dieser die Qual der Wahl – welcher Koalitionspartner passt am besten? Trotz der Klatsche für die FPÖ würde Kurz am liebsten wieder mit den Rechtspopulisten regieren. Noch am Wahlabend hob er die „sehr gute Zusammenarbeit“in seiner rund 18-monatigen Amtszeit hervor. Insbesondere bei der restriktiven Migrationspolitik, der inneren Sicherheit und bei Steuererleichterungen gibt es viele Gemeinsamkeiten.
Die Chemie zwischen Kurz und dem neuen Fpö-vorsitzenden Norbert Hofer stimmt jedenfalls. Doch kann dieser sich halten? Klar ist: Ein Weiterso würde Kurz’ Saubermannimage Kratzer verpassen. Der neue und alte Kanzler könnte nur dann Türkis-blau noch einmal verkaufen, wenn die FPÖ Ballast abwirft, sich vom korruptionsanfälligen Ex-chef Heinzchristian Strache trennt und als runderneuerte Partei daherkommt. Eine in Machtkämpfe verstrickte FPÖ wäre für Kurz ein Klotz am Bein.
Die gestärkten Grünen böten Kurz hingegen eine prickelnde Option. Aber dafür müsste sich der konservativ durchwirkte Spitzenpolitiker neu erfinden. Es wäre mit viel Reibungspunkten und möglicherweise der Beschädigung von Kurz’ Markenkern verbunden. Viele Österreicher lieben den Mann, der maßgeblich an der Schließung der Balkanroute mitgearbeitet hat.
Die Grünen wollen dagegen eine offene Migrationspolitik. Sie verfolgen das Ziel, Österreich zur „Umwelt- und Klimaschutz-nation Nummer eins in der Welt“zu machen, wie es Parteichef Werner Kogler formulierte. Für eine Co2-steuer hat Kurz indessen nichts übrig: „Ich lehne neue Steuern grundsätzlich ab.“Österreich sei bereits ein Land mit einer besonders hohen Steuerlast. Die Sicherstellung eines guten Wirtschaftswachstums sei die größte Herausforderung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Kurz zu seinem „starken Ergebnis“. Andere in der Union träumen davon, mit der Kurz-formel den seit Herbst 2015 anhaltenden Abwärtstrend der Partei aufzuhalten. „Klare Ideen, kurze Sätze und prägnante Botschaften“könnten auch für die CDU erfolgreich sein, betonte Parteivize und Nrw-ministerpräsident Armin Laschet.