Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
„Es gibt keine Wechselstimmung“
Anja Siegesmund (Grüne) über Klima, Verlässlichkeit und Rot-rot-grün
mal sagen: Selbst bei acht Prozent wäre es das beste Ergebnis, das die Grünen jemals in Thüringen geholt haben.
Zu ihrer Bilanz in Thüringen: Die Landesverwaltung soll bis 2030 klimaneutral sein. Ganz Thüringen soll bis 2050 bis zu 95 Prozent weniger Treibhausgase produzieren als 1990. Ihre Ziele waren ursprünglich noch ehrgeiziger, aber Sie konnten sich nicht gegen SPD und Linke durchsetzen. Trotzdem: Ist dieses Versprechen zu halten, auch angesichts der Klimabeschlüsse im Bund?
Das Gesetz ist im Dezember 2018 beschlossen worden und in Kraft getreten. [...] Von daher gibt es an den Zielen nichts zu rütteln. Die entsprechenden Förderprogramme dazu laufen ja auch. Von daher hätte ich mir gewünscht, dass der Bund auch in sein interessantes Konglomerat von Einzelmaßnahmen auch geschrieben hätte, alle Liegenschaften des Bundes sollen bis 2030 klimaneutral werden. Daran selber Vorbild zu sein, versucht man sich nicht.
Nach langem Streit hat sich die Koalition darauf verständigt, fünf Prozent des Waldes nicht forstwirtschaftlich zu nutzen. Nun haben sich Linke und SPD wieder davon distanziert. Finden Sie das unfair?
Die wichtigste Kategorie in der Politik ist Verlässlichkeit. Wir haben einen verlässlichen Kompromiss gefunden. Auf fünf Prozent der Waldfläche soll die Säge ruhen. Das steht. Daran rüttelt auch keiner. Und das ist auch gut so, weil Wald nicht in erster Linie eine Ansammlung von ungesägten Brettern ist, sondern eine Gemeinwohlfunktion hat.
Ihr Parteifreund, Justizminister Dieter Lauinger, hat die Koalition durch seine Amtsanmaßung und nachträglichen Falschaussagen schwer belastet. Trotzdem blieb er im Amt, weil die Grünen an ihm festhielten. Warum macht Ihre Partei, die an andere immer so hohe moralische Maßstäbe anlegt, bei sich eine Ausnahme?
Ich weise zurück, dass es sich um Amtsanmaßung und Falschaussagen handelt . . .
. . . die sind ja nachgewiesen. Bei Herrn Lauinger hat, so viel wie ich weiß, der Untersuchungsausschuss bis heute kein Ergebnis gebracht, dass das, was Sie gerade behauptet haben, untersetzt.
Er hat sich ja selber entschuldigt für seine Falschaussagen. Ja, aber ich weise zurück, dass es sich um Amtsanmaßung handelt.
Was ist denn das, wenn ein Minister bei einem Beamten eines anderen Ministeriums anruft, mit Klage droht. Andere Minister und Staatssekretäre involviert. Ist das völlig korrektes Amtsverhalten aus Ihrer Sicht?
Das fragen Sie doch einfach Herrn Lauinger, bitte.
Wir fragen aber Sie als Spitzenkandidatin der Grünen.
Ich finde, Herr Lauinger hat eine gute Integrationspolitik gemacht. Keiner ist frei von Fehlern. Sie haben recht, gerne sind wir Grünen vielleicht diejenigen, die den Finger spitzen und sagen: So müsste es sein. Und damit wird uns auch das Moralisieren vorgeworfen. Da müssen wir auf jeden Fall besser werden. Entscheidend für mich ist am Ende die Bilanz, und die kann sich [...] sehen lassen.
Kommen wir zu den Koalitionsmöglichkeiten. Sie wollen Rot-rot-grün fortsetzen, das ist kein Geheimnis. Und wenn es nicht reicht?
Dann muss man sondieren, welche Mehrheiten möglich sind.
Und Sie glauben, mit CDUCHEF Mike Mohring und dem Fdp-vorsitzenden Thomas Kemmerich kämen Sie klar? Ich kann mir das nur schwer vorstellen. Vor allem, weil die CDU so ungeheuer disruptive Wendungen und Wandlungen in Thüringen in den letzten viereinhalb Jahren hingelegt hat. Ich bin erstaunt, wie schnell man Regierungsverantwortung auch verlernen kann.
Wären Sie auch bereit, in eine Minderheitsregierung zu gehen?
Das ist völlige Spekulation, und bis zum 27. Oktober kämpfe ich für starke Grüne.
Aber Sie haben das schon einmal ausgeschlossen. Gilt das denn nicht mehr? Farbdebatten bringen uns überhaupt keinen einzigen Schritt weiter.
Wenn es für Rot-rot-grün reicht, wollen Sie dann Umweltministerin bleiben?
Ich würde [...] gerne für diesen Bereich weiter verantwortlich zeichnen und hoffe, im Sinne des Landes gute Entscheidungen treffen zu können.