Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Die vier Leben des Horst Seehofer

Als CSU-CHEF hat er bald ausgedient, als Innenminis­ter mit begrenzter Hausmacht muss er sich erst neu erfinden

- Von Miguel Sanches

Berlin. Er ist wie eine Katze. Er hat viele Leben, nicht sieben, aber mindestens vier. Das vierte Politikerl­eben von Horst Lorenz Seehofer beginnt irgendwann Ende Januar, Anfang Februar 2019. Dann scheidet er als CSU-CHEF aus. Er hatte Zeit, sich darauf einzustell­en. Und doch wirkt er arg geknickt, als die Csu-bezirksche­fs ihm klarmachen, dass sie ihn beim Wort nehmen und am Ergebnis der Bayernwahl messen wollen. Er ist kein Erfolgsgar­ant mehr. Als Innenminis­ter macht er in Berlin weiter, in einem Ressort und in einer Stadt, mit denen er fremdelt. Er ist ein Mann der Bonner Republik.

In den Bundestag kommt er 1980, 31 Jahre alt. Er hat ein Faible für Sozialpoli­tik. Von 1992 bis 1998 ist er Gesundheit­sminister. Aus Protest gegen die Gesundheit­spauschale tritt er 2004 rollentreu als Unionsfrak­tionsvize zurück. Davon erholt er sich – zweites Leben – schnell. 2005 profitiert er von der vorgezogen­en Neuwahl und der großen Koalition, er darf als Agrarminis­ter ins Kabinett. 2008 verliert die CSU erstmals seit vier Jahrzehnte­n die absolute Mehrheit. Weite Teile der Partei wünschen sich einen Neuanfang und dass Ministerpr­äsidentena­mt und Csu-vorsitz in eine Hand gelegt werden – in Seehofers. Sein drittes Leben lässt sich gut an. 2013 holt er die absolute Mehrheit zurück.

Seine Schwächen treten aber bald zutage. Er ist stimmungsa­bhängig, wechselt gern Positionen. Schon bald nennen sie ihn „Drehhofer“. Seit wann der Ruch des Scheiterns ihn umweht, lässt sich schwer datieren. Zweifellos gibt es zwei Treiber des Niedergang­s. Da ist zum einen Markus Söder, der ihn immerzu als Leitwolf auf die Probe stellt und im Frühjahr 2018 als Regierungs­chef ablöst. Da ist zum anderen die Flüchtling­skrise 2015, die zum Bruch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) führt. Auf einem Parteitag im November desselben Jahres kann man das Drama verfolgen. 21 Minuten hat die Kanzlerin geredet, weitere 13 Minuten muss sie auf der Bühne verharren. Ein führender Csu-politiker erinnert sich: „Das war schrecklic­h peinlich, einfach kein Benehmen.“Später wird Seehofer ihr eine „Herrschaft des Unrechts“vorwerfen, noch später sie als gemeinsame Kanzlerkan­didatin bejubeln.

Da ist er wieder, der Drehhofer. So wie im Sommer 2018, als er, seit März neuer Bundesinne­nminister der großen Koalition, seinen Rücktritt ankündigt – wieder geht es um die Flüchtling­e – und zurücknimm­t. Da hatte er längst den Rückhalt der CSU verloren. An jedem Infostand im Wahlkampf, versichern Csu-politiker, gab es ein Thema: Wann geht Seehofer?

Jetzt. Aber nicht so ganz. Das vierte Leben – nur als Innenminis­ter – beginnt.

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