Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
In Thüringen wird immer mehr Cannabis konsumiert
Erhöhter Zulauf in den Beratungsstellen. Bewilligungsquote der Droge als Medikament liegt bei über 50 Prozent
Erfurt. In den 55 Beratungsstelen der Thüringer Suchthilfe werden immer häufiger Konsumenten von Cannabis betreut. Nach Alkohol würde diese Droge als Beratungsgrund den zweiten Platz einnehmen – deutlich vor Crystal Meth. Wie Dörte Peter, die Leiterin der Landesstelle mitteilte, wäre der Anstieg in den letzten Jahren auffällig – um fast 20 Prozent. 2017 wurden rund 700 Menschen mit der Hauptdiagnose Cannabis im Hilfesystem erfasst. Schätzungen zufolge dürften damit mehrere 10.000 Thüringer regelmäßig kiffen.
Die Wirkungsweise und der Einsatz der Hanfpflanze gilt in Deutschland als sehr umstritten. Die rot-rot-grüne Koalition Thüringens hatte sich für die Legalisierung der Schmerz- und Palliativbehandlung mit medizinischen Cannabispräparaten eingesetzt und im Bundesrat einen Entschließungsantrag eingebracht. Eine Änderung der Rechtslage ist erfolgt, seit 2017 werden Cannabis-extrakt und Cannabis-blüten als verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel zur Verfügung gestellt. Trotz der Legalisierung für die Schmerz- und Palliativbehandlung sind in der Umsetzung aus Sicht des zuständigen Thüringer Sozialministeriums laut Sprecher Stefan Wogawa, „noch Feinjustierungen vorzunehmen“. Ein gemeinsamer Antrag von Thüringen, Berlin und Bremen zur Einführung von wissenschaftlichen Modellversuchen mit der kontrollierten Abgabe von Cannabis fand im Bundesrat keine Mehrheit.
Bei der Krankenkasse Barmer in Thüringen waren seit Inkrafttreten des Cannabis-gesetzes im Vorjahr 147 Anträge auf die Kostenübernahme cannabishaltiger Arzneimittel eingegangen. Davon wurden 82 Anträge bewilligt und 65 abgelehnt. Bundesweit waren es bei der Kasse 6583 Anträge, von denen 4436 genehmigt wurden. Die Bewilligungsquote schwankt je nach Bundesland zwischen 53 und 76 Prozent. In Thüringen liegt sie bei 56 Prozent. Deutschlandweit werden die Blüten zu therapeutischen Zwecken immer stärker nachgefragt: 2017 hatten 20.000 Patienten einen solchen Antrag gestellt, die Ablehnungsquote liegt bei 35 Prozent. Wenn andere Therapien nicht mehr wirken, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen auf Antrag die Kosten für eine Behandlung mit Medizinalcannabis in standardisierter Qualität. Um der Nachfrage entsprechen zu können, hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Niederlande um Unterstützung bei der Versorgung mit Hanf gebeten, so das Magazin „Der Spiegel“. Derzeit liegt die Liefermenge bei 700 Kilogramm jährlich.
Ursprünglich war vorgesehen, ab 2019 auch in Deutschland Medizinalhanf zu ernten. Wegen eines Verfahrensfehlers musste die Ausschreibung jedoch wiederholt werden. Cannabis aus heimischem Anbau wird daher frühestens 2020 zur Verfügung stehen
Dörte Peter warnt allerdings vor einem unkontrollierten Einsatz und ungezügelter Freigabe: „Heranwachsende, die bereits ab einem frühen Zeitpunkt exzessiv Cannabis konsumieren, können langfristig irreversible und gesundheitliche Folgeschäden erleiden.“Wichtig sei vor allem der Jugendschutz.