Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Händler mit Ideen zur Mühlhäuser Innenstadt überschütt­et

Experte referiert vor Gewerbetre­ibenden und spannt den Bogen von erotischen Wettbewerb­en bis zu Lese-cafés

- Von Friedemann Knoblich

Mühlhausen. „Eine Dauerkirme­s wird‘s nicht bringen.“Dass die Stärkung der Geschäfte in der Mühlhäuser Innenstadt ein komplexes Thema ohne einfache Antworten ist, machte Hardo Kendschek am Dienstagab­end deutlich. Der Experte für Stadt- und Regionalen­twicklung sprach beim Treffen der Einzelhänd­ler in der Brotlaube vor etwa 50 Gästen. Eingeladen hatten Oberbürger­meister Johannes Bruns (SPD) und das Referat Wirtschaft­sförderung. Hardo Kendschek berät seit Jahren Städte und Gewerbetre­ibende, unter anderem in Thüringen und Sachsen. In einem Impulsvort­rag überschütt­ete er die Mühlhäuser Einzelhänd­ler förmlich mit Ideen und Anregungen und zeigte Beispiele erfolgreic­her Projekte zur Belebung der Einkaufsme­ilen in anderen Regionen.

„Die Probleme der Händler und Städte sind überall ähnlich. Die Samstage lohnen sich kaum, die jungen Kunden bleiben weg, es gibt leer stehende Geschäfte mit schwer zu erreichend­en Eigentümer­n“, erklärte Hardo Kendschek. In einem Parforceri­tt umriss er jene Trends, mit denen die Innenstädt­e zu kämpfen haben: Die Ansprüche der Kunden wachsen, sie sind so informiert wie nie; die Lebensstil­e der Menschen ändern sich rasant; die überreguli­erte Welt der Geschäfte trifft auf die unregulier­te Welt der Internet-händler, die rund um die Uhr geöffnet haben; junge Menschen ziehen in die Großstädte, ältere bleiben hier; die Schere zwischen gut betuchten Kunden und jenen, die knapp bei Kasse sind, öffnet sich weiter; der Wettbewerb zwischen den Städten und Standorten verschärft sich.

„Der Einzelhand­el verliert an Bedeutung. Die Frage ist, was ersetzt die frühere Leitfunkti­on der Händler“, fragte Hardo Kendschek. Er plädierte dafür, dass künftig alle Gewerbetre­ibenden der Innenstadt zu den Treffen eingeladen werden. Also auch Anwälte, Notare, Steuerbera­ter und so weiter. „80 Prozent Ihrer Bemühungen müssen Sie in die Stärkung der Identität der Stadt stecken. Was macht Mühlhausen aus? Weshalb sollten Leute hierher kommen?“, so Hardo Kendschek.

Soll eine Initiative zur Identitäts­stärkung und damit zur Attraktivi­tätssteige­rung Mühlhausen­s erfolgreic­h sein, müsse diese auf breite Schultern gelegt werden. Handwerker, Künstler und Medien müssten ebenso eine Rolle spielen wie städtische Unternehme­n, Bildungsei­nrichtunge­n, Gastronome­n, Bürger, Umlandbewo­hner, Touristen. Leere Schaufenst­er wurden in anderen Städten beispielsw­eise von Schulen und Ortschroni­sten befüllt. „Gezeigt wurden die Ergebnisse eines Schreibwet­tbewerbs zum Thema Erotik oder Fotos zum Thema Einkaufen früher, der Weihnachts­markt früher. Das zog die Leute an“, erinnert sich Kendschek.

Um die Eigentümer leerer Läden zu erreichen, sollten die Händler gemeinsame Briefe verfassen – nicht die Stadt, empfahl der Experte. Ebenfalls erfolgvers­prechend sei die Verknüpfun­g von Angeboten. Ein Waschsalon könnte zugleich ein Flirtzentr­um werden, ein Café zur Bücherei, ein Friseur zur Galerie, Kneipen könnten alte Schallplat­ten anbieten, Bäcker eine Ecke zum Selbst-backen. Die Projekte und Aktionen sollten sich freilich an den Vorstellun­gen der Bürger orientiere­n. Dazu brauche es Befragunge­n und Arbeitsgem­einschafte­n, in denen Ideen gesammelt werden. Groß diskutiert wurde der Vortrag von Kendschek am Dienstag nicht.

Die Händler und Johannes Bruns kamen überein, sich nach der Sommerpaus­e erneut zu treffen und über mögliche Arbeitsgru­ppen zu beraten. Auch der Planungs-, Umwelt- und Wirtschaft­sausschuss des Stadtrates wolle sich daran beteiligen. Ann-kristin Zabel, Leiterin des Referats Wirtschaft­sförderung, und Jan Riemann von der Händler-initiative „Zurück in die Mitte“regten an, für künftige Treffen einen neuen Rahmen zu finden. Andere Akteure sollten hinzugehol­t werden, zugleich sollten die Arbeitsgem­einschafte­n kleiner, homogener werden, um arbeitsfäh­ig zu sein.

Treffen der Händler braucht neuen Rahmen

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Der Steinweg ist eine der Einkaufsst­raßen in der Mühlhäuser Innenstadt. Foto: Alexander Volkmann

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