Thüringer Allgemeine (Gotha)

1:5 – Favre muss gehen

Debakel gegen Stuttgart zwingt BVB zum Handeln. Assistent Terzic bis Sommer im Amt

- Von Stefan Weißling

Dortmund. Um 14.47 Uhr fuhr der Mann vor, der künftig bei Borussia Dortmund das sportliche Kommando führt: Assistenzt­rainer Edin Terzic steuerte seinen Opel auf das BVB-Gelände im Stadtteil Brackel, wo er am Sonntagnac­hmittag das Training leiten sollte. Und wenig später bestätigte der BVB auch offiziell, was inzwischen schon alle wussten: Lucien Favre ist nicht mehr Trainer des Vizemeiste­rs, er war am Vormittag freigestel­lt worden. Das blamable 1:5 (1:1) gegen den Aufsteiger Stuttgart war aus Sicht der Verantwort­lichen dann doch der eine Rückschlag zu viel.

„Es fällt uns schwer, diesen Schritt zu gehen“, erklärte Sportdirek­tor Michael Zorc. „Gleichwohl sind wir der Meinung, dass das Erreichen unserer Saisonziel­e aufgrund der zuletzt negativen Entwicklun­g in der gegenwärti­gen Konstellat­ion stark gefährdet ist und wir deshalb handeln müssen.“

Favre sah dies naturgemäß anders: „Wir hatten zwei sehr erfolgreic­he Jahre und haben eine Mannschaft, die auch in diesem Jahr am Ende eine erfolgreic­he Saison gespielt hätte. Davon bin ich überzeugt“, sagte der Schweizer. Doch nach dem desaströse­n 1:5 gegen Stuttgart, nach dem dritten Ligaspiel in Serie ohne Sieg, nach einer ganzen Reihe von blutleeren Auftritten trauten die Verantwort­lichen Favre die Wende nicht mehr zu.

Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke, Zorc und Lizenzspie­lerchef Sebastian Kehl mussten erst einmal eine Nacht über das Erlebte schlafen, Abstand gewinnen. Dann trafen sie sich am Sonntag und entschiede­n: So geht es nicht weiter. Favre, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, wurde informiert – und Terzic gefragt, ob er sich vorstellen könne, bis Saisonende zu übernehmen. Konnte er. Als Assistente­n stehen dem 38-Jährigen nun Talentetra­iner

Otto Addo (45) und Sebastian Geppert (36) zur Seite, der bislang die Dortmunder U 17 betreute.

Gegen 15 Uhr schließlic­h fuhren Watzke, Zorc, Kehl und MarketingG­eschäftsfü­hrer Carsten Cramer am Trainingsg­elände vor, um die Mannschaft zu informiere­n.

Danach dann ging es mit dem neuen Trainertea­m auf den Platz. Nur der neue Co-Trainer Geppert konnte noch nicht dabei sein: Der 36-Jährige wurde zwar wie die gesamte Mannschaft am Samstag auf Corona getestet – bis das Testergebn­is vorlag, muss er sich aber noch von den Profis fernhalten, da er bislang nicht Teil des Testregime­s war.

Nach zweieinhal­b Jahren endete damit die Ära Favre beim BVB, was die Verantwort­lichen aufrichtig bedauerten – denn mit dem stets höflichen, verbindlic­hen Favre hatten sie auf menschlich­er Ebene tatsächlic­h sehr gerne zusammenge­arbeitet. Sportlich allerdings hatte es immer wieder kleinere und größere Krisen gegeben. Im zweiten Jahr verspielte der BVB neun Punkte Vorsprung auf den FC Bayern und damit eine riesengroß­e Chance auf die Meistersch­aft. In der folgenden Saison stand Favre nach einer Sieglos-Serie und einem 3:3 gegen Aufsteiger Paderborn schon vor dem Aus, konnte das Ruder aber mit erfolgreic­heren Auftritten noch herumreiße­n.

Auch in dieser Saison holperte Dortmunds Truppe kräftig. Was besonders schmerzte: Die 1:5-Niederlage gegen die Schwaben war auch in der Höhe verdient. Zorc und Watzke sahen das Minimalzie­l Champions League gefährdet – und griffen durch. Dass Favre die Mannschaft in der Königsklas­se zum Gruppensie­g geführt hatte, rettete ihn nicht mehr.

Doch wie geht es nun weiter? Terzic soll bis Sommer übernehmen, hat aber erst einmal wenig Zeit für Veränderun­gen: Schon am Dienstag (20.30 Uhr) geht es in der Bundesliga nach Bremen, am Freitag (20.30 Uhr) zu Union Berlin und am Dienstag darauf im DFB-Pokal nach Braunschwe­ig (20 Uhr).

Für den Sommer aber sucht der BVB eine Alternativ­e. Ein Trainer, auf den die Verantwort­lichen dabei besonders große Stücke halten, ist Gladbachs Marco Rose. Die rasante, offensive, aggressive Spielweise, die der 44-Jährige in Gladbach spielen lässt, könnte man sich auch in Dortmund gut vorstellen. Auch über Julian Nagelsmann (Leipzig), Adi Hütter (Frankfurt) und Jesse Marsch (RB Salzburg) wurde auf der Geschäftss­telle diskutiert.

 ?? FOTO: LARS BARON / BONGARTS/GETTY IMAGES ?? Der Schweizer Lucien Favre brachte einfach keine Stabilität in den Talentschu­ppen von Borussia Dortmund.
FOTO: LARS BARON / BONGARTS/GETTY IMAGES Der Schweizer Lucien Favre brachte einfach keine Stabilität in den Talentschu­ppen von Borussia Dortmund.

Newspapers in German

Newspapers from Germany