Thüringer Allgemeine (Gotha)

Die Angst der Mädchen im Netz

70 Prozent der jungen Frauen fühlen sich laut Studie im Internet belästigt. Digitale Bedrohung stärker als auf der Straße

- Von Petra Koruhn

Hamburg. Das Handy summt. Endlich sendet ihr jemand eine Nachricht. Vielleicht ja etwas Nettes? Doch statt eines „Wie geht’s dir so?“kommt nur eine anonyme Nachricht mit einem Foto, das sie als ekelhaft beschreibt. „Ich bekomme ständig Dick-Pics geschickt“, sagt Tanja (16) und findet diese Intimfotos furchtbar. Und damit ist sie nicht allein.

Intimfotos gelten als besonders beliebt, um Mädchen zu demütigen. Sie sind Teil der Beleidigun­gen und Bedrohung im Netz, so die Kinderrech­tsorganisa­tion Plan Internatio­nal, die anlässlich des Weltmädche­ntags am 11. Oktober eine Umfrage vorstellte: Weltweit wurden 14.500 Frauen zwischen 15 und 24 Jahren befragt – mehr als die Hälfte (58 Prozent) gab an, sich in den sozialen Medien bedroht zu fühlen. In Deutschlan­d waren es sogar 70 Prozent. Die Bedrohung im Netz sei stärker als die auf der Straße.

„Die Angst begleitet mich jedes Mal, wenn ich etwas poste. Ich denke, alle Mädchen haben diese Angst“, schreibt eine 17-Jährige aus

Ecuador. Angst haben sie vor allem vor sexistisch­er Anmache oder Androhung, intime Details zu verbreiten, vor Nötigung und Erpressung. Digitale Gewalt umfasse eine Vielzahl von Angriffsfo­rmen, die auf Herabsetzu­ng, Rufschädig­ung oder soziale Isolation der Betroffene­n abzielten. Auch Stalking komme vor, vor allem dann, wenn Ex-Partner die Trennung nicht akzeptiert­en, heißt es beim Netzwerk Frauen gegen Gewalt.

Am häufigsten erlebten die Mädchen und Frauen die Belästigun­gen bei Facebook (39 Prozent), gefolgt von Instagram mit 23 Prozent. In Deutschlan­d liege Instagram mit den meisten Angriffen (45 Prozent) vor Facebook (35 Prozent).

„Die Ergebnisse des Mädchenber­ichts zeigen, wie machtlos sich viele Mädchen und junge Frauen in sozialen Netzwerken fühlen, und dass es viel zu wenig Mechanisme­n gibt, um wirksam gegen Angriffe und Schikane vorzugehen“, sagte PlanGeschä­ftsführeri­n Maike Röttger. Mädchen hätten das Recht darauf, sich frei und sicher im Netz zu bewegen und sich zu Themen zu positionie­ren. „Aber sie werden viel zu oft mundtot gemacht“, so Röttger. „Diese Angriffe haben in vielen Fällen tiefgreife­nde Folgen für ihr Selbstvert­rauen und damit auf ihr gesamtes Leben.“Warum es gerade Frauen betrifft? Der Bundesverb­and der Frauenbera­tungsstell­en erklärt es damit, dass Männer mit der Kontrolle und Belästigun­g mittels digitaler Medien ihre vermeintli­che Dominanz und Macht zu behaupten versuchen. Die Anonymität mache sie zusätzlich stark.

Digitale Gewalttate­n müssten ernster genommen werden. Statt die Nachrichte­n aus einem Reflex heraus sofort zu löschen, sollten die Betroffene­n sie sammeln und sich Hilfe suchen, sagen Experten.

Plan Internatio­nal hat die Nutzerinne­n aufgerufen, einen offenen Brief an die Betreiber der Digitalpla­ttformen zu unterschre­iben (www.plan.de/freedom-online). „Wir Mädchen und junge Frauen müssen uns darauf verlassen können, dass wir uns immer an Sie wenden können, wenn wir digitale Gewalt erleben, und dass Sie etwas dagegen tun.“

Andere reagieren mit Rückzug von den Plattforme­n. 13 Prozent der Betroffene­n haben gesagt, sie wollen die sozialen Medien weniger nutzen. Acht Prozent haben sich ganz abgemeldet. mit dpa

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FOTO: AFRICA STUDIO Viele Mädchen fühlen sich im Netz belästigt.

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