Thüringer Allgemeine (Gotha)

Fabelrekor­d aus einer anderen Zeit

Vor 35 Jahren lief Marita Koch beim Weltcupfin­ale 400-Meter-Weltrekord. Bis heute war keine Frau schneller

- Von Dirk Pille

Erfurt. „Ich war immer clean“, sagte Marita Meier-Koch, wenn die Sprache auf Dopingmitt­el kam. Inzwischen redet die Frau, die einst 15 Weltrekord­e lief, nicht mehr über das Thema. Wie so viele DDR-Spitzenspo­rtler. Ihre fabelhafte­n Leistungen von einst sollen nicht auf die Einnahme „unterstütz­ender Mittel“reduziert werden.

Dass ihre Zeiten und die ihrer Konkurrent­innen weltweit in den 70-er und 80-er Jahren auch mit Hilfe von Pharmazeut­ika erzielt wurden, ist kaum zu leugnen. Es existieren Unterlagen nach denen auch Koch zeitweise mit hohen Dosen des Anabolikum­s Oral-Turinabol

„versorgt“wurde. Daneben gibt es Aussagen, wie die von Kochs ehemaliger Erfurter Staffelkol­legin Gesine Tettenborn (geborene Walter), die Doping zugab.

In Erfurt begann die Rekordjagd der hochtalent­ierten Frau aus Rostock. Koch lief am 28. Mai 1978 im Georgi-Dimitroff-Stadion die 200 Meter in 22,06 Sekunden. Weltrekord! Einen Monat später verbessert­e Koch in Leipzig die Zeit auf 22,02 und holte sich die Bestmarke über die 400 Meter in 49,19 Sekunden. Fünf weitere Weltrekord­e folgten über die komplette Stadionrun­de. Bis der gebürtigen Wismarerin beim Weltcupfin­ale am 6. Oktober 1985 im australisc­hen Canberra der Lauf ihres Lebens gelang. Es war die perfekte Runde, Koch besaß auch auf den letzten fünfzig Meter noch Kraft und Lockerheit. 47,60 Sekunden – so schnell lief nie wieder eine Frau über 400 Meter. Ein Fabelrekor­d aus einer anderen Zeit.

Einzig der „Gegenentwu­rf“zur grazilen Koch, das Muskelpake­t Jarmila Kratochvil­ova, hatte 1983 mit 47,99 ebenfalls die magische Marke geknackt. Ihre 800-Meter-Zeit von 1:53,28 min ist gar der älteste noch gültige Leichtathl­etik-Weltrekord.

Wie unwirklich Kochs Fabelrekor­d heute erscheint, zeigt die ewige Bestenlist­e. Über 400 Meter blieben nur acht weitere Läuferinne­n unter 49 Sekunden. Zuletzt die von Katar 2014 eingebürge­rte junge Nigerianer­in Salwa Eid Naser, die bei ihrem WM-Sieg in Doha 2019 seit Koch unerreicht­e 48,14 Sekunden rannte. Naser ist allerdings seit 4. Juni wegen Verstoßes gegen die Meldebesti­mmungen der Anti-DopingRege­ln vorläufig suspendier­t.

Marita Koch, die gemeinsam mit Heike Drechsler einst auch den 200-Meter-Weltrekord hielt, wurde Olympiasie­gerin 1980 in Moskau über 400 Meter und mit der Staffel. 1982 beendete sie dann plötzlich die Karriere mit nur 25 Jahren. Offiziell wegen Achillesse­hnenproble­men. Zuvor hatte die DDR-Führung ihr allerdings ein Trainingsl­ager auf Kuba gestrichen. Die heute 63-Jährige Meier-Koch ist neben Drechsler die einzige Deutsche in der Hall of Fame der Welt-Leichtathl­etik.

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FOTO: DPA Marita Koch 1985 im Stadion im australisc­hen Canberra.

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