„Wir haben keine Geheimnisse“
Grundstein für den Marbacher Moscheebau gelegt. Festakt von Islamgegnern beschallt
Marbach. Bauzäune umgrenzen das Gelände, Polizisten sind an den Zufahrten postiert und Männer, ganz in schwarz gekleidet, kontrollieren akribisch, wer Einlass erhält und die Sicherheitsschleuse zum Festzelt passieren darf – getrennt nach Frauen und Männern. Die Ahmadiyya-Gemeinde hat zur Grundsteinlegung des ersten MoscheeNeubaus Thüringens nach Marbach eingeladen. Der erste, abschreckende Eindruck täuscht: Gäste werden freundlich begrüßt, mit Informationen umsorgt und mit einem Lächeln an ihre Plätze geleitet.
Nach Marbach sind aber nicht nur rund 150 Gemeindemitglieder aus ganz Deutschland, Politiker aus Thüringen und Erfurt sowie geladene Gäste gekommen. Auf Anordnung der Erfurter Ordnungsbehörden stehen Gegner des Moschee-Baus zunächst noch oberhalb der Feuerwache hinter ihren Plakaten, auf denen sie vor islamischem Terror warnen und die Vernichtung vermeintlicher Hamstervorkommen auf dem Grundstück beklagen. Dann kippt am Mittag das Verwaltungsgericht Weimar die Anordnung und sie dürfen direkt gegenüber dem Festgelände mit Lautsprecher und Plakaten Stellung beziehen. Auf dem Weg noch weist eine Demonstrantin einen besonders diskutierfreudigen älteren Herren darauf hin, Plakate und Stimme nicht zu erheben bei ihrem kurzen Spaziergang und einfach „die Muselmänner zu ignorieren“, die sich selbst ein Bild machen wollen von denen, die sie so hassen.
Als sie auf der Wiese am Festplatz ankommen, schallen der etwa 80-köpfigen Gruppe der Islam-Gegner aus dem Lautsprecher des „Auf-die-Plätze“-Bündnisses die Lieder „Schrei nach Liebe“von den Ärzten und „Wie blöd du bist“von Carolin Kebekus entgegen. „Religionsfreiheit verteidigen“und „Lieber ohne Hass“steht auf dieser Seite der St.-Florian-Straße auf den Plakaten. Kathrin Büchner hat den Gegenprotest angemeldet: Liebe fetzt, Religionsfreiheit ist Gesetz, lautet das Motto. Sie wohnt in der Nachbarschaft der künftigen Moschee: „Ich habe die Gemeinde kennengelernt als sehr offen und freundlich. Mir geht es darum, gegen Diskriminierung aufzutreten, egal ob diese wegen der Religion, Hautfarbe oder sexueller Orientierung erfolgt“, sagt sie. Sie selbst sei „gar nicht religiös“, es gehe ihr darum, ein Zeichen zu setzen.
Islam-Gegner Michael Stürzenberger nennt seine Leute derweil die „patriotischen Demokraten“: „Wir sind die geistig Gesunden“, sagt er gerade als einer seiner Anhänger eine Israel-Fahne im aufkommenden Wind schwenkt. Stürzenberger, der sich in Rage redet und dies noch immer tut, als der Grundstein der Moschee längst liegt und die Gäste bei Kalb Korma, BasmatiReis und geschnetzeltem Huhn den Festakt ausklingen lassen. Tariq Mehmood aus Frankfurt, dessen Frau aus Erfurt stammt, hat das Buffet mit seinem Team angerichtet, auch den süßen Milchreis, der nach der feierlichen Grundsteinlegung zum Nachtisch gereicht wird und dessen Duft lange schon das Festzelt durchzieht.
Beide Gruppen bleiben auf Distanz, dafür sorgt schon die Zufahrt zur Rettungswache, die es frei zu halten gilt für etwaige Einsatzfahrten. Ein älterer Herr, beobachtend zwischen beiden Lagern am Straßenrand, wird von einem Reporter des Ahmaddiyya-Senders MTA befragt. Er wisse nicht was hier passiert und dürfe ja nicht rein, sagt er, abwinkend – und wird eines Besseren belehrt. Vom Gemeinde-Reporter wird er zum Festzelt und zum Ort des Festakts gebracht: „Wir haben keine Geheimnisse“, sagt der junge Mann mit dem Mikrofon bestimmt, als sein Marbacher Gast wieder seiner Wege geht.
Ghalib Malik, Polizeibeamter aus Hessen, ist ehrenamtlich für die Sicherheit verantwortlich. „Irgendwie“, so sagt der 31-Jährige, „stehen wir immer irgendwie dazwischen.“Die einen sähen in der Reform orientierten Ahmadiyya-Gemeinde die Feinde des Islams, die anderen den Untergang des christlichen Abendlandes. Damit sei er aufgewachsen, in Frankfurt. Erfurt indes habe er als eine schöne Stadt mit sehr freundlicher Menschen kennengelernt, das werde er gern weitererzählen.