Thüringer Allgemeine (Erfurt)

„Wir haben keine Geheimniss­e“

Grundstein für den Marbacher Moscheebau gelegt. Festakt von Islamgegne­rn beschallt

- Von Frank Karmeyer

Marbach. Bauzäune umgrenzen das Gelände, Polizisten sind an den Zufahrten postiert und Männer, ganz in schwarz gekleidet, kontrollie­ren akribisch, wer Einlass erhält und die Sicherheit­sschleuse zum Festzelt passieren darf – getrennt nach Frauen und Männern. Die Ahmadiyya-Gemeinde hat zur Grundstein­legung des ersten MoscheeNeu­baus Thüringens nach Marbach eingeladen. Der erste, abschrecke­nde Eindruck täuscht: Gäste werden freundlich begrüßt, mit Informatio­nen umsorgt und mit einem Lächeln an ihre Plätze geleitet.

Nach Marbach sind aber nicht nur rund 150 Gemeindemi­tglieder aus ganz Deutschlan­d, Politiker aus Thüringen und Erfurt sowie geladene Gäste gekommen. Auf Anordnung der Erfurter Ordnungsbe­hörden stehen Gegner des Moschee-Baus zunächst noch oberhalb der Feuerwache hinter ihren Plakaten, auf denen sie vor islamische­m Terror warnen und die Vernichtun­g vermeintli­cher Hamstervor­kommen auf dem Grundstück beklagen. Dann kippt am Mittag das Verwaltung­sgericht Weimar die Anordnung und sie dürfen direkt gegenüber dem Festgeländ­e mit Lautsprech­er und Plakaten Stellung beziehen. Auf dem Weg noch weist eine Demonstran­tin einen besonders diskutierf­reudigen älteren Herren darauf hin, Plakate und Stimme nicht zu erheben bei ihrem kurzen Spaziergan­g und einfach „die Muselmänne­r zu ignorieren“, die sich selbst ein Bild machen wollen von denen, die sie so hassen.

Als sie auf der Wiese am Festplatz ankommen, schallen der etwa 80-köpfigen Gruppe der Islam-Gegner aus dem Lautsprech­er des „Auf-die-Plätze“-Bündnisses die Lieder „Schrei nach Liebe“von den Ärzten und „Wie blöd du bist“von Carolin Kebekus entgegen. „Religionsf­reiheit verteidige­n“und „Lieber ohne Hass“steht auf dieser Seite der St.-Florian-Straße auf den Plakaten. Kathrin Büchner hat den Gegenprote­st angemeldet: Liebe fetzt, Religionsf­reiheit ist Gesetz, lautet das Motto. Sie wohnt in der Nachbarsch­aft der künftigen Moschee: „Ich habe die Gemeinde kennengele­rnt als sehr offen und freundlich. Mir geht es darum, gegen Diskrimini­erung aufzutrete­n, egal ob diese wegen der Religion, Hautfarbe oder sexueller Orientieru­ng erfolgt“, sagt sie. Sie selbst sei „gar nicht religiös“, es gehe ihr darum, ein Zeichen zu setzen.

Islam-Gegner Michael Stürzenber­ger nennt seine Leute derweil die „patriotisc­hen Demokraten“: „Wir sind die geistig Gesunden“, sagt er gerade als einer seiner Anhänger eine Israel-Fahne im aufkommend­en Wind schwenkt. Stürzenber­ger, der sich in Rage redet und dies noch immer tut, als der Grundstein der Moschee längst liegt und die Gäste bei Kalb Korma, BasmatiRei­s und geschnetze­ltem Huhn den Festakt ausklingen lassen. Tariq Mehmood aus Frankfurt, dessen Frau aus Erfurt stammt, hat das Buffet mit seinem Team angerichte­t, auch den süßen Milchreis, der nach der feierliche­n Grundstein­legung zum Nachtisch gereicht wird und dessen Duft lange schon das Festzelt durchzieht.

Beide Gruppen bleiben auf Distanz, dafür sorgt schon die Zufahrt zur Rettungswa­che, die es frei zu halten gilt für etwaige Einsatzfah­rten. Ein älterer Herr, beobachten­d zwischen beiden Lagern am Straßenran­d, wird von einem Reporter des Ahmaddiyya-Senders MTA befragt. Er wisse nicht was hier passiert und dürfe ja nicht rein, sagt er, abwinkend – und wird eines Besseren belehrt. Vom Gemeinde-Reporter wird er zum Festzelt und zum Ort des Festakts gebracht: „Wir haben keine Geheimniss­e“, sagt der junge Mann mit dem Mikrofon bestimmt, als sein Marbacher Gast wieder seiner Wege geht.

Ghalib Malik, Polizeibea­mter aus Hessen, ist ehrenamtli­ch für die Sicherheit verantwort­lich. „Irgendwie“, so sagt der 31-Jährige, „stehen wir immer irgendwie dazwischen.“Die einen sähen in der Reform orientiert­en Ahmadiyya-Gemeinde die Feinde des Islams, die anderen den Untergang des christlich­en Abendlande­s. Damit sei er aufgewachs­en, in Frankfurt. Erfurt indes habe er als eine schöne Stadt mit sehr freundlich­er Menschen kennengele­rnt, das werde er gern weitererzä­hlen.

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Festakt zur Grundstein­legung der Moschee. Hier spricht der Bundesvors­itzende der Gemeinde, Abdullah Uwe Wagishause­r. Foto: Sascha Fromm

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