Jugendknast wird Streitthema
Landespolitiker reagieren auf Bericht über Sicherheitsmängel in Arnstadt. Justizministerium reagiert
Arnstadt. Die gravierenden Mängel in der Jugendstrafanstalt Arnstadt, die unsere Zeitung am Dienstag öffentlich machte, haben gestern eine politische Debatte über Sicherheitslücken im Strafvollzug ausgelöst.
„Solche Mängel dürfen nicht auftreten und müssen unverzüglich beseitigt werden“, forderte Oskar Helmerich, justizpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, gestern gegenüber der TA. Es bestehe „akuter Handlungsbedarf“. Dieter Lauinger (Grüne) als verantwortlicher Minister müsse die „sofortige Prüfung“der Vorwürfe sowie eine „detaillierte Aufklärung“samt „umgehender Einleitung entsprechender Maßnahmen“zur „Chefsache erklären“.
Die oppositionelle CDU will die „schweren Sicherheitsmängel“zum Thema der nächsten Sitzung des Justizausschusses machen. „Von Herrn Lauinger erwarten wir jetzt schonungslose Aufklärung“, sagte der justizpolitische Sprecher der CDUFraktion, Manfred Scherer.
Von einem „weiteren Armutszeugnis in der Liste des Versagens der Landesregierung und insbesondere des Justizministers“, sprach der für Arnstadt zuständige AfD-Abgeordnete Olaf Kießling. Lauinger schiebe die Verantwortlichkeit „auf seine ohnehin über die Grenze der Belastbarkeit hinaus arbeitenden Bediensteten im Justizvollzug“.
Für die Grünen-Fraktion teilte die justizpolitische Sprecherin Astrid Rothe-Beinlich mit: „Wir gehen davon aus, dass das zuständige Ministerium sicherheitsrelevante Erkenntnisse ernst nimmt und Mängel gegebenenfalls abstellt.“
Insbesondere müsse Justizminister Lauinger erklären, forderte CDU-Justizexperte Scherer, seit wann er Kenntnis von den Zuständen in der Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt hatte und was seither unternommen wurde, um die Mängel abzustellen.
Mit Bezug auf ein Schreiben von JSA-Bediens-teten an den Petitionsausschuss des Landtags hatte die TA zahlreiche Sicherheitsmängel aufgelistet (siehe Infokasten).
Das Fazit der JSA-Insider lautete: Die Video- und Sicherheitstechnik habe seit Eröffnung der Anstalt im Juni 2014 nicht einen Tag so funktioniert, wie es ursprünglich gefordert war. Potenziert wird das Technikproblem aus der Sicht der Petenten durch Personalprobleme – plus dem hohen Krankenstand. Von 139 Bediensteten waren am Montag 23 erkrankt. Das sind mehr als 16 Prozent.
Verärgert auf die Petition reagierte gestern die Linke-Abgeordnete Anja Müller, sie ist Vorsitzende der Strafvollzugskommission des Landtags. Im März, also kurz nach dem Gefängnisausbruch im Januar dieses Jahres, hätten sich die Mitglieder des Gremiums vor Ort alles genau angesehen, teilte Müller mit. „Und es wurde uns von der Anstaltsleitung bestätigt, dass die Anlage korrekt eingestellt worden ist. Mich ärgert, dass die Bediensteten nicht das direkte Gespräch mit uns Abgeordneten gesucht haben.“
Tatsächlich wurde zunächst auf vielen Wegen versucht, auf die Sicherheitsprobleme aufmerksam zu machen. Im Vorwurf der Petition heißt es: „Die Probleme sind der hiesigen Anstaltsleitung, der Vollzugsdienstleitung, der Personalabteilung, dem örtlichen Personalrat, dem Hauptpersonalrat und auch den gewerkschaftlichen Vertretern des BSBD und der GdP bekannt.“BSBD steht für Bund der Strafvollzugsbediensteten. GdP ist das Kürzel für Gewerkschaft der Polizei.
BSBD-Vorsitzender Jörg Bursian, zugleich stellvertretender Leiter in Arnstadt, sagte gestern auf Anfrage: „Mir als Person ist die Petition bekannt. Als Vertreter des BSBD ist sie mir nicht bekannt.“Eine Stellungnahme wollte der BSBD nicht abgeben.
Deutliche Worte fand hingegen der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG, Jürgen Hoffmann: „Die Zustände in Arnstadt sind ein Alarmzeichen. Wir müssen jetzt analysieren, ob es sich dabei um einen Einzelfall im Thüringer Strafvollzug handelt oder nicht. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse in den Gefängnissen. Aber wir sind auf dem Weg dahin. Wenn wir erst einmal Clanbildungen haben wie in Berliner Gefängnissen, kriegen wir das Problem nie wieder los.“
Möglicherweise ist es schon später als gedacht. Bei einer Fachtagung des Thüringer Verfassungsschutzes vor einer Woche sprach Innenstaatssekretär Udo Götze (SPD) vom Risiko einer islamistischen Radikalisierung in den Gefängnissen. Götze nannte zwei Beispiele: Gräfentonna und Arnstadt.