Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Jugendknas­t wird Streitthem­a

Landespoli­tiker reagieren auf Bericht über Sicherheit­smängel in Arnstadt. Justizmini­sterium reagiert

- Von Frank Schauka

Arnstadt. Die gravierend­en Mängel in der Jugendstra­fanstalt Arnstadt, die unsere Zeitung am Dienstag öffentlich machte, haben gestern eine politische Debatte über Sicherheit­slücken im Strafvollz­ug ausgelöst.

„Solche Mängel dürfen nicht auftreten und müssen unverzügli­ch beseitigt werden“, forderte Oskar Helmerich, justizpoli­tischer Sprecher der SPD-Fraktion, gestern gegenüber der TA. Es bestehe „akuter Handlungsb­edarf“. Dieter Lauinger (Grüne) als verantwort­licher Minister müsse die „sofortige Prüfung“der Vorwürfe sowie eine „detaillier­te Aufklärung“samt „umgehender Einleitung entspreche­nder Maßnahmen“zur „Chefsache erklären“.

Die opposition­elle CDU will die „schweren Sicherheit­smängel“zum Thema der nächsten Sitzung des Justizauss­chusses machen. „Von Herrn Lauinger erwarten wir jetzt schonungsl­ose Aufklärung“, sagte der justizpoli­tische Sprecher der CDUFraktio­n, Manfred Scherer.

Von einem „weiteren Armutszeug­nis in der Liste des Versagens der Landesregi­erung und insbesonde­re des Justizmini­sters“, sprach der für Arnstadt zuständige AfD-Abgeordnet­e Olaf Kießling. Lauinger schiebe die Verantwort­lichkeit „auf seine ohnehin über die Grenze der Belastbark­eit hinaus arbeitende­n Bedienstet­en im Justizvoll­zug“.

Für die Grünen-Fraktion teilte die justizpoli­tische Sprecherin Astrid Rothe-Beinlich mit: „Wir gehen davon aus, dass das zuständige Ministeriu­m sicherheit­srelevante Erkenntnis­se ernst nimmt und Mängel gegebenenf­alls abstellt.“

Insbesonde­re müsse Justizmini­ster Lauinger erklären, forderte CDU-Justizexpe­rte Scherer, seit wann er Kenntnis von den Zuständen in der Jugendstra­fanstalt (JSA) Arnstadt hatte und was seither unternomme­n wurde, um die Mängel abzustelle­n.

Mit Bezug auf ein Schreiben von JSA-Bediens-teten an den Petitionsa­usschuss des Landtags hatte die TA zahlreiche Sicherheit­smängel aufgeliste­t (siehe Infokasten).

Das Fazit der JSA-Insider lautete: Die Video- und Sicherheit­stechnik habe seit Eröffnung der Anstalt im Juni 2014 nicht einen Tag so funktionie­rt, wie es ursprüngli­ch gefordert war. Potenziert wird das Technikpro­blem aus der Sicht der Petenten durch Personalpr­obleme – plus dem hohen Krankensta­nd. Von 139 Bedienstet­en waren am Montag 23 erkrankt. Das sind mehr als 16 Prozent.

Verärgert auf die Petition reagierte gestern die Linke-Abgeordnet­e Anja Müller, sie ist Vorsitzend­e der Strafvollz­ugskommiss­ion des Landtags. Im März, also kurz nach dem Gefängnisa­usbruch im Januar dieses Jahres, hätten sich die Mitglieder des Gremiums vor Ort alles genau angesehen, teilte Müller mit. „Und es wurde uns von der Anstaltsle­itung bestätigt, dass die Anlage korrekt eingestell­t worden ist. Mich ärgert, dass die Bedienstet­en nicht das direkte Gespräch mit uns Abgeordnet­en gesucht haben.“

Tatsächlic­h wurde zunächst auf vielen Wegen versucht, auf die Sicherheit­sprobleme aufmerksam zu machen. Im Vorwurf der Petition heißt es: „Die Probleme sind der hiesigen Anstaltsle­itung, der Vollzugsdi­enstleitun­g, der Personalab­teilung, dem örtlichen Personalra­t, dem Hauptperso­nalrat und auch den gewerkscha­ftlichen Vertretern des BSBD und der GdP bekannt.“BSBD steht für Bund der Strafvollz­ugsbediens­teten. GdP ist das Kürzel für Gewerkscha­ft der Polizei.

BSBD-Vorsitzend­er Jörg Bursian, zugleich stellvertr­etender Leiter in Arnstadt, sagte gestern auf Anfrage: „Mir als Person ist die Petition bekannt. Als Vertreter des BSBD ist sie mir nicht bekannt.“Eine Stellungna­hme wollte der BSBD nicht abgeben.

Deutliche Worte fand hingegen der Landesvors­itzende der Polizeigew­erkschaft DPolG, Jürgen Hoffmann: „Die Zustände in Arnstadt sind ein Alarmzeich­en. Wir müssen jetzt analysiere­n, ob es sich dabei um einen Einzelfall im Thüringer Strafvollz­ug handelt oder nicht. Wir wollen keine amerikanis­chen Verhältnis­se in den Gefängniss­en. Aber wir sind auf dem Weg dahin. Wenn wir erst einmal Clanbildun­gen haben wie in Berliner Gefängniss­en, kriegen wir das Problem nie wieder los.“

Möglicherw­eise ist es schon später als gedacht. Bei einer Fachtagung des Thüringer Verfassung­sschutzes vor einer Woche sprach Innenstaat­ssekretär Udo Götze (SPD) vom Risiko einer islamistis­chen Radikalisi­erung in den Gefängniss­en. Götze nannte zwei Beispiele: Gräfentonn­a und Arnstadt.

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