Thüringer Allgemeine (Eisenach)
„Das Lebenswerk ist vollbracht“
Manager-legende Uli Hoeneß blickt zum 70. Geburtstag auf bewegte Jahre zurück
München. Der Rückzug vor zwei Jahren fiel ihm schwerer als gedacht, doch mittlerweile hat Uli Hoeneß erkannt, dass er beim FC Bayern nicht mehr ständig präsent sein muss. Dennoch hat er weiter eine klare Meinung zu den Themen, die den Club bewegen. Am Mittwoch wird Hoeneß 70 Jahre alt, im Interview spricht er nicht nur über Privates, sondern auch über das Thema Katar und Erling Haaland.
Hat Ihnen Corona ein Stück weit den Ruhestand verdorben?
Das ist zu hart. Ich brauche mich nicht zu beklagen, es gibt wesentlich schlimmere Schicksale als meines. Und ich hoffe sehr und glaube auch, dass wir in der Pandemie langsam auf der Zielgeraden sind.
Das letzte öffentliche Bild von Ihnen ist das von der Jahreshauptversammlung der Bayern im November. Warum haben Sie am Ende doch auf Ihren Redebeitrag verzichtet?
Als es zum Schluss so turbulent wurde, wie es dem FC Bayern nicht gut zu Gesicht steht, habe ich mir überlegt: Jetzt gehe ich da hoch. Aber das Mikrofon war schon ausgeschaltet. Es hätte ein, zwei Minuten gedauert, um den Saft wieder aufzudrehen. In dieser Zeit habe ich mir dann gedacht: Wenn ich jetzt etwas sage, wird das in diesem Ambiente eher kontraproduktiv. Und dann habe ich mir gesagt: Nein, das passt heute nicht rein. Ich bin froh, dass ich nichts mehr gesagt habe.
Wie denken Sie über den Anlass des Konflikts, den Sponsoring-vertrag mit Qatar Airways?
Ich persönlich wäre dafür, den Vertrag zu verlängern. Allerdings nur, wenn wir das Gefühl haben, dass wir einen Beitrag leisten, dass sich die Dinge vor Ort verbessern. Meiner Meinung nach verbessert sich nichts, wenn man solche Kooperationen einstellt.
Wie bitte?
Wenn der FC Bayern nicht mehr nach Katar fährt, wenn dort die Fußball- und Handball-wm und kein Tennisturnier mehr stattfinden, steht das Land nicht so im Fokus. Ich war in Katar – anders als die meisten Kritiker. Ich habe den Eindruck, dass man uns dort zuhört. Die Gespräche, die wir dort führen, sind kontrovers und kritisch – und konstruktiv. Dass die Bedingungen dort noch nicht so gut sind, wie sich das viele vorstellen, weiß ich auch.
Wie beurteilen Sie denn die Arbeit Ihrer Erben Hainer, Salihamidzic und Oliver Kahn?
Fußball ist ja auch eine Sache der Ergebnisse. Wenn Sie Herbstmeister mit neun Punkten Vorsprung plus Torverhältnis sind, die Vorrunde der Champions League mit sechs Siegen beenden und ein wirtschaftliches Ergebnis hinlegen, das a la bonheur ist, kann man mit der Arbeit sehr zufrieden sein.
Wird der Weihnachtsmann auch der Osterhase sein?
Davon gehe ich aus. Ich habe ja gesehen, mit welcher Begeisterung und Dominanz unsere Spieler Fußball
zelebrieren, die hören nach dem 2:0 oder 3:0 nicht auf, die wollen das vierte, fünfte und sechste Tor schießen. Das setzt in der Bundesliga Maßstäbe. Wenn aber in der Champions League Real Madrid kommt oder Paris, Manchester City, Liverpool und Chelsea – dann wird’s schwieriger. Angst habe ich allerdings vor keinem von ihnen. Wenn wir an der Leistungsgrenze spielen, können wir jeden schlagen.
Ist die internationale Konkurrenz trotzdem schon enteilt?
Ich kann mich nicht erinnern, dass Paris oder Manchester City jemals die Champions League gewonnen hätten – der FC Bayern durchaus. Wir respektieren deren tolle Leistung – Pep Guardiola macht bei City einen super Job, Paris spielt sehr guten Fußball – aber wir sind sportlich absolut in der Lage, mitzuhalten. Ich weiß allerdings nicht, wie das in ein paar Jahren aussieht. Das hängt unter anderem auch stark von der Pandemie ab.
Und davon, ob der FC Bayern Erling Haaland verpflichtet?
Also eines ist sicher: dass Erling Haaland jeder Mannschaft der Welt gut zu Gesicht stünde. Das ist gar keine Frage. Und wenn wir Robert Lewandowski nicht hätten, Gott sei Dank haben wir ihn, müsste sich der FC Bayern sicher mit Haaland beschäftigen. Aber Robert wird mindestens noch drei, vier Jahre auf so hohem Niveau spielen können. Und da wäre der FC Bayern ja mit dem Klingelbeutel geschlagen, wenn er Robert fortschicken und um jeden Preis Erling Haaland holen würde. Ich kann nur voll unterstützen, wenn unsere Verantwortlichen sagen, dass sie auf Robert setzen. Das hat nichts damit zu tun, dass man Haaland höchste Wertschätzung entgegenbringen darf.
Sie selbst trugen einst die Zehn, mussten Ihre Karriere aber bereits mit 27 Jahren beenden. Einer der größten Brüche in Ihrem Leben?
Das Schönste im Sport ist immer das Selber-spielen. Wenn ich morgen in einen Jungbrunnen fallen könnte und da rauskäme als junger Siegfried, als Uli Hoeneß, der die 100 Meter in elf Sekunden läuft und auch noch kicken kann – ich würde es machen.
Die Öffentlichkeit hatte ein ganz anderes Bild von Ihnen, als Sie wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis mussten, der zweite große Bruch in Ihrem Leben. Wie denken Sie heute darüber?
Ich habe einen Riesenfehler gemacht, zu dem ich stehe. Ich bin damals nach diesem Urteil nach einer langen Nacht der Diskussionen mit meiner Familie bewusst nicht in die Revision gegangen und habe mich m Gefängnis nach Ansicht der zuständigen Leute vorbildlich verhalten und dadurch die Halbstrafe bekommen. Das wäre nie der Fall gewesen, wenn ich mir auch nur die kleinste Kleinigkeit hätte zu Schulden kommen lassen, wenn das Blatt nicht blütenweiß gewesen wäre – die Halbstrafe kriegen in Bayern nur drei Prozent der Häftlinge. Ich war eindreiviertel Jahre weg und habe für meinen Fehler gebüßt.