Thüringer Allgemeine (Eisenach)

„Das Lebenswerk ist vollbracht“

Manager-legende Uli Hoeneß blickt zum 70. Geburtstag auf bewegte Jahre zurück

- Von Marco Mader

München. Der Rückzug vor zwei Jahren fiel ihm schwerer als gedacht, doch mittlerwei­le hat Uli Hoeneß erkannt, dass er beim FC Bayern nicht mehr ständig präsent sein muss. Dennoch hat er weiter eine klare Meinung zu den Themen, die den Club bewegen. Am Mittwoch wird Hoeneß 70 Jahre alt, im Interview spricht er nicht nur über Privates, sondern auch über das Thema Katar und Erling Haaland.

Hat Ihnen Corona ein Stück weit den Ruhestand verdorben?

Das ist zu hart. Ich brauche mich nicht zu beklagen, es gibt wesentlich schlimmere Schicksale als meines. Und ich hoffe sehr und glaube auch, dass wir in der Pandemie langsam auf der Zielgerade­n sind.

Das letzte öffentlich­e Bild von Ihnen ist das von der Jahreshaup­tversammlu­ng der Bayern im November. Warum haben Sie am Ende doch auf Ihren Redebeitra­g verzichtet?

Als es zum Schluss so turbulent wurde, wie es dem FC Bayern nicht gut zu Gesicht steht, habe ich mir überlegt: Jetzt gehe ich da hoch. Aber das Mikrofon war schon ausgeschal­tet. Es hätte ein, zwei Minuten gedauert, um den Saft wieder aufzudrehe­n. In dieser Zeit habe ich mir dann gedacht: Wenn ich jetzt etwas sage, wird das in diesem Ambiente eher kontraprod­uktiv. Und dann habe ich mir gesagt: Nein, das passt heute nicht rein. Ich bin froh, dass ich nichts mehr gesagt habe.

Wie denken Sie über den Anlass des Konflikts, den Sponsoring-vertrag mit Qatar Airways?

Ich persönlich wäre dafür, den Vertrag zu verlängern. Allerdings nur, wenn wir das Gefühl haben, dass wir einen Beitrag leisten, dass sich die Dinge vor Ort verbessern. Meiner Meinung nach verbessert sich nichts, wenn man solche Kooperatio­nen einstellt.

Wie bitte?

Wenn der FC Bayern nicht mehr nach Katar fährt, wenn dort die Fußball- und Handball-wm und kein Tennisturn­ier mehr stattfinde­n, steht das Land nicht so im Fokus. Ich war in Katar – anders als die meisten Kritiker. Ich habe den Eindruck, dass man uns dort zuhört. Die Gespräche, die wir dort führen, sind kontrovers und kritisch – und konstrukti­v. Dass die Bedingunge­n dort noch nicht so gut sind, wie sich das viele vorstellen, weiß ich auch.

Wie beurteilen Sie denn die Arbeit Ihrer Erben Hainer, Salihamidz­ic und Oliver Kahn?

Fußball ist ja auch eine Sache der Ergebnisse. Wenn Sie Herbstmeis­ter mit neun Punkten Vorsprung plus Torverhält­nis sind, die Vorrunde der Champions League mit sechs Siegen beenden und ein wirtschaft­liches Ergebnis hinlegen, das a la bonheur ist, kann man mit der Arbeit sehr zufrieden sein.

Wird der Weihnachts­mann auch der Osterhase sein?

Davon gehe ich aus. Ich habe ja gesehen, mit welcher Begeisteru­ng und Dominanz unsere Spieler Fußball

zelebriere­n, die hören nach dem 2:0 oder 3:0 nicht auf, die wollen das vierte, fünfte und sechste Tor schießen. Das setzt in der Bundesliga Maßstäbe. Wenn aber in der Champions League Real Madrid kommt oder Paris, Manchester City, Liverpool und Chelsea – dann wird’s schwierige­r. Angst habe ich allerdings vor keinem von ihnen. Wenn wir an der Leistungsg­renze spielen, können wir jeden schlagen.

Ist die internatio­nale Konkurrenz trotzdem schon enteilt?

Ich kann mich nicht erinnern, dass Paris oder Manchester City jemals die Champions League gewonnen hätten – der FC Bayern durchaus. Wir respektier­en deren tolle Leistung – Pep Guardiola macht bei City einen super Job, Paris spielt sehr guten Fußball – aber wir sind sportlich absolut in der Lage, mitzuhalte­n. Ich weiß allerdings nicht, wie das in ein paar Jahren aussieht. Das hängt unter anderem auch stark von der Pandemie ab.

Und davon, ob der FC Bayern Erling Haaland verpflicht­et?

Also eines ist sicher: dass Erling Haaland jeder Mannschaft der Welt gut zu Gesicht stünde. Das ist gar keine Frage. Und wenn wir Robert Lewandowsk­i nicht hätten, Gott sei Dank haben wir ihn, müsste sich der FC Bayern sicher mit Haaland beschäftig­en. Aber Robert wird mindestens noch drei, vier Jahre auf so hohem Niveau spielen können. Und da wäre der FC Bayern ja mit dem Klingelbeu­tel geschlagen, wenn er Robert fortschick­en und um jeden Preis Erling Haaland holen würde. Ich kann nur voll unterstütz­en, wenn unsere Verantwort­lichen sagen, dass sie auf Robert setzen. Das hat nichts damit zu tun, dass man Haaland höchste Wertschätz­ung entgegenbr­ingen darf.

Sie selbst trugen einst die Zehn, mussten Ihre Karriere aber bereits mit 27 Jahren beenden. Einer der größten Brüche in Ihrem Leben?

Das Schönste im Sport ist immer das Selber-spielen. Wenn ich morgen in einen Jungbrunne­n fallen könnte und da rauskäme als junger Siegfried, als Uli Hoeneß, der die 100 Meter in elf Sekunden läuft und auch noch kicken kann – ich würde es machen.

Die Öffentlich­keit hatte ein ganz anderes Bild von Ihnen, als Sie wegen Steuerhint­erziehung ins Gefängnis mussten, der zweite große Bruch in Ihrem Leben. Wie denken Sie heute darüber?

Ich habe einen Riesenfehl­er gemacht, zu dem ich stehe. Ich bin damals nach diesem Urteil nach einer langen Nacht der Diskussion­en mit meiner Familie bewusst nicht in die Revision gegangen und habe mich m Gefängnis nach Ansicht der zuständige­n Leute vorbildlic­h verhalten und dadurch die Halbstrafe bekommen. Das wäre nie der Fall gewesen, wenn ich mir auch nur die kleinste Kleinigkei­t hätte zu Schulden kommen lassen, wenn das Blatt nicht blütenweiß gewesen wäre – die Halbstrafe kriegen in Bayern nur drei Prozent der Häftlinge. Ich war eindreivie­rtel Jahre weg und habe für meinen Fehler gebüßt.

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FOTO: ALEXANDRA BEIER /GETTY Uli Hoeneß wird am Mittwoch 70 Jahre alt.

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