Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Diese sechs Krisen bedrohen die Welt

Corona belastet Wirtschaft und Gesellscha­ft. Das Verhältnis zu Russland und China könnte neue Spannungen auslösen

- Von Michael Backfisch

Berlin. Im noch neuen Jahr 2022 gefährden gleich mehrere Krisen den Frieden und die Weltwirtsc­haft. Es herrscht ein Corona-impfgefäll­e, welches Mutationen befördert. Zudem hat sich in vielen Ländern die Gesellscha­ft angesichts der Impffrage radikalisi­ert. Die Wirtschaft leidet unter stockenden Lieferkett­en. Russlands Muskelspie­le sowie Chinas Weltmachta­mbitionen sorgen für zusätzlich­e Spannungen. Und schließlic­h könnte die Verkettung dieser Probleme neue Migrations­wellen auslösen. Diese sechs Krisen bedrohen die Welt.

Weltweites Corona-impfgefäll­e Fast zwei Jahre lebt die Welt mit dem Coronaviru­s. Doch die Lage ist je nach Kontinent völlig unterschie­dlich. Während Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) für Deutschlan­d „Licht am Ende des Tunnels“sieht, gibt es in Afrika noch viele Länder mit nur minimalem Impfschutz. Für Virusvaria­nten ist das der ideale Nährboden.

Nach Angaben der Online-plattform Our World in Data sind in der Demokratis­chen Republik Kongo nur 0,12 Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g geimpft, in Äthiopien beträgt die Rate 1,3 Prozent. „Wenn nicht alle Länder genügend Vakzine

bekommen, zieht sich die Pandemie in die Länge. Damit steigt die Gefahr, dass gefährlich­e Mutanten zu uns zurückkomm­en“, mahnt Elisabeth Massute von Ärzte ohne Grenzen.

Radikalisi­erung der Gesellscha­ft Die Spaltung der Gesellscha­ft bis hin zum Kulturkrie­g galt bislang vor allem für die USA unter Präsident Donald Trump. Doch im Zuge der Corona-krise hat sich die Kluft in der Bevölkerun­g europa- und weltweit vertieft. Das Thema „Impfen – ja oder nein?“wurde für viele zur reinen Glaubensfr­age.

Zwischen Rotterdam, Wien, München und Bautzen machten Gegner der Corona-maßnahmen ihrem Ärger Luft. Zum Teil kam es zu gewaltsame­n Ausschreit­ungen gegen die Polizei. Auch in der Politik steigt die Aggressivi­tät. In den sozialen Netzwerken häufen sich Hetztirade­n bis hin zu Todesdrohu­ngen gegen Politiker.

Globales Lieferkett­enchaos

Die dramatisch­e Ausbreitun­g des Coronaviru­s löste eine Serie von Lieferkett­enprobleme­n aus. Länder mit einer hohen Dichte an Fabriken – China, Südkorea, aber auch Industrieg­iganten wie Deutschlan­d – wurden durch die Seuche besonders stark getroffen.

Viele Firmen kürzten die Fertigung. In Erwartung der schrumpfen­den Nachfrage strichen die Reedereien ihr internatio­nales Netz an Routen zusammen. Gleichzeit­ig fand eine Verschiebu­ng im Konsumente­nverhalten statt. Das Interesse beispielsw­eise an Büro-artikeln nahm schlagarti­g zu. Etliche Betriebe hat es kalt erwischt. Für den Run fehlten die Handelssch­iffe.

Nach der Aufhebung der starren Lockdown-maßnahmen in immer mehr Ländern zog die Konjunktur wieder an. Die Reedereien konnten aber mit dem steigenden Bedarf an Waren nicht Schritt halten. Das ist einer der Gründe, warum die Inflations­rate rund um den Globus nach oben geklettert ist.

Russlands Muskelspie­le

Im Ukraine-konflikt geht Russlands Präsident Wladimir Putin aufs Ganze. Er will mit einer massiven Konzentrat­ion von Truppen und Waffen vor der Grenze zum Nachbarlan­d extremen Druck aufbauen. Die Regierung in Kiew soll eingeschüc­htert, die Bevölkerun­g verunsiche­rt werden. Der Kremlchef hat kürzlich erstmals mit „roten Linien“gedroht – keine Mitgliedsc­haft der Ukraine in der Nato, keine Waffenlief­erungen des Westens in die Ukraine, keine zusätzlich­e Osterweite­rung der Allianz.

Moskau facht Kriegsangs­t im Westen an, um seine Bedingunge­n für eine Sicherheit­sarchitekt­ur in Europa durchzubox­en.

Nicht nur wegen des Ukrainekon­flikts ist das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland angespannt wie lange nicht. Mit dem demonstrat­iven Test einer Antisatell­itenwaffe im All nahm Moskau die Gefährdung der Astronaute­n an Bord der Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS) in Kauf. Cyberangri­ffe und Fake-news-kampagnen sind weitere Waffen im Kremlarsen­al des „hybriden Kriegs“gegen den Westen.

Chinas Weltmachta­mbitionen Gerade einmal 20 Jahre hat es gedauert, um Chinas Anteil an der globalen Wirtschaft von 3,6 Prozent auf heute rund 18 Prozent hochzuschr­auben. Nach Berechnung­en der meisten Ökonomen wird die Volksrepub­lik bis 2030 Amerika überholen.

Seinen wirtschaft­lichen Expansions­kurs flankiert China durch eine autoritäre und militarisi­erte Außenpolit­ik. In der ehemaligen britischen Kronkoloni­e Hongkong, der bis 2047 nach dem Motto „ein Land, zwei Systeme“mehr Freiheiten versproche­n worden waren, herrscht nun Friedhofsr­uhe.

Im Südpazifik errichtet Peking immer mehr Militärbas­en, was die Nachbarsta­aten zunehmend besorgt. Auch gegenüber Taiwan erhöht China den Druck. Die kommunisti­sche Regierung betrachtet den demokratis­chen Inselstaat als „abtrünnige Republik“und strebt eine „Wiedervere­inigung“mit dem Festland an. Der lange Arm Chinas reicht bis in die EU. Als Litauen kürzlich Taiwan die Eröffnung eines Verbindung­sbüros erlaubte, verhängte Peking einen bilaterale­n Handelsboy­kott.

Neue Migrations­wellen

Es gibt mehr Krisen auf der Welt – und sie sind heftiger geworden. 2022 dürfte deshalb neue Flüchtling­swellen auslösen. Da sich nach der Machtübern­ahme der Taliban die Lage in Afghanista­n radikal verschlech­tert hat, werden sich wahrschein­lich noch mehr Menschen von dort auf den Weg machen. In Äthiopien tobt ein Bürgerkrie­g. Im Irak herrschen Instabilit­ät und Korruption, die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) ist in einzelnen Gebieten wieder erstarkt. Die gesamte Sahelzone in Afrika ist derart zerbrechli­ch, dass eine Massenfluc­ht jederzeit möglich scheint. Hinzu kommen Hitzewelle­n, Dürren oder Überschwem­mungen. Die Klimakrise fordert auch hier ihren Tribut.

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