Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Diese sechs Krisen bedrohen die Welt
Corona belastet Wirtschaft und Gesellschaft. Das Verhältnis zu Russland und China könnte neue Spannungen auslösen
Berlin. Im noch neuen Jahr 2022 gefährden gleich mehrere Krisen den Frieden und die Weltwirtschaft. Es herrscht ein Corona-impfgefälle, welches Mutationen befördert. Zudem hat sich in vielen Ländern die Gesellschaft angesichts der Impffrage radikalisiert. Die Wirtschaft leidet unter stockenden Lieferketten. Russlands Muskelspiele sowie Chinas Weltmachtambitionen sorgen für zusätzliche Spannungen. Und schließlich könnte die Verkettung dieser Probleme neue Migrationswellen auslösen. Diese sechs Krisen bedrohen die Welt.
Weltweites Corona-impfgefälle Fast zwei Jahre lebt die Welt mit dem Coronavirus. Doch die Lage ist je nach Kontinent völlig unterschiedlich. Während Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für Deutschland „Licht am Ende des Tunnels“sieht, gibt es in Afrika noch viele Länder mit nur minimalem Impfschutz. Für Virusvarianten ist das der ideale Nährboden.
Nach Angaben der Online-plattform Our World in Data sind in der Demokratischen Republik Kongo nur 0,12 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, in Äthiopien beträgt die Rate 1,3 Prozent. „Wenn nicht alle Länder genügend Vakzine
bekommen, zieht sich die Pandemie in die Länge. Damit steigt die Gefahr, dass gefährliche Mutanten zu uns zurückkommen“, mahnt Elisabeth Massute von Ärzte ohne Grenzen.
Radikalisierung der Gesellschaft Die Spaltung der Gesellschaft bis hin zum Kulturkrieg galt bislang vor allem für die USA unter Präsident Donald Trump. Doch im Zuge der Corona-krise hat sich die Kluft in der Bevölkerung europa- und weltweit vertieft. Das Thema „Impfen – ja oder nein?“wurde für viele zur reinen Glaubensfrage.
Zwischen Rotterdam, Wien, München und Bautzen machten Gegner der Corona-maßnahmen ihrem Ärger Luft. Zum Teil kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen die Polizei. Auch in der Politik steigt die Aggressivität. In den sozialen Netzwerken häufen sich Hetztiraden bis hin zu Todesdrohungen gegen Politiker.
Globales Lieferkettenchaos
Die dramatische Ausbreitung des Coronavirus löste eine Serie von Lieferkettenproblemen aus. Länder mit einer hohen Dichte an Fabriken – China, Südkorea, aber auch Industriegiganten wie Deutschland – wurden durch die Seuche besonders stark getroffen.
Viele Firmen kürzten die Fertigung. In Erwartung der schrumpfenden Nachfrage strichen die Reedereien ihr internationales Netz an Routen zusammen. Gleichzeitig fand eine Verschiebung im Konsumentenverhalten statt. Das Interesse beispielsweise an Büro-artikeln nahm schlagartig zu. Etliche Betriebe hat es kalt erwischt. Für den Run fehlten die Handelsschiffe.
Nach der Aufhebung der starren Lockdown-maßnahmen in immer mehr Ländern zog die Konjunktur wieder an. Die Reedereien konnten aber mit dem steigenden Bedarf an Waren nicht Schritt halten. Das ist einer der Gründe, warum die Inflationsrate rund um den Globus nach oben geklettert ist.
Russlands Muskelspiele
Im Ukraine-konflikt geht Russlands Präsident Wladimir Putin aufs Ganze. Er will mit einer massiven Konzentration von Truppen und Waffen vor der Grenze zum Nachbarland extremen Druck aufbauen. Die Regierung in Kiew soll eingeschüchtert, die Bevölkerung verunsichert werden. Der Kremlchef hat kürzlich erstmals mit „roten Linien“gedroht – keine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato, keine Waffenlieferungen des Westens in die Ukraine, keine zusätzliche Osterweiterung der Allianz.
Moskau facht Kriegsangst im Westen an, um seine Bedingungen für eine Sicherheitsarchitektur in Europa durchzuboxen.
Nicht nur wegen des Ukrainekonflikts ist das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland angespannt wie lange nicht. Mit dem demonstrativen Test einer Antisatellitenwaffe im All nahm Moskau die Gefährdung der Astronauten an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) in Kauf. Cyberangriffe und Fake-news-kampagnen sind weitere Waffen im Kremlarsenal des „hybriden Kriegs“gegen den Westen.
Chinas Weltmachtambitionen Gerade einmal 20 Jahre hat es gedauert, um Chinas Anteil an der globalen Wirtschaft von 3,6 Prozent auf heute rund 18 Prozent hochzuschrauben. Nach Berechnungen der meisten Ökonomen wird die Volksrepublik bis 2030 Amerika überholen.
Seinen wirtschaftlichen Expansionskurs flankiert China durch eine autoritäre und militarisierte Außenpolitik. In der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong, der bis 2047 nach dem Motto „ein Land, zwei Systeme“mehr Freiheiten versprochen worden waren, herrscht nun Friedhofsruhe.
Im Südpazifik errichtet Peking immer mehr Militärbasen, was die Nachbarstaaten zunehmend besorgt. Auch gegenüber Taiwan erhöht China den Druck. Die kommunistische Regierung betrachtet den demokratischen Inselstaat als „abtrünnige Republik“und strebt eine „Wiedervereinigung“mit dem Festland an. Der lange Arm Chinas reicht bis in die EU. Als Litauen kürzlich Taiwan die Eröffnung eines Verbindungsbüros erlaubte, verhängte Peking einen bilateralen Handelsboykott.
Neue Migrationswellen
Es gibt mehr Krisen auf der Welt – und sie sind heftiger geworden. 2022 dürfte deshalb neue Flüchtlingswellen auslösen. Da sich nach der Machtübernahme der Taliban die Lage in Afghanistan radikal verschlechtert hat, werden sich wahrscheinlich noch mehr Menschen von dort auf den Weg machen. In Äthiopien tobt ein Bürgerkrieg. Im Irak herrschen Instabilität und Korruption, die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) ist in einzelnen Gebieten wieder erstarkt. Die gesamte Sahelzone in Afrika ist derart zerbrechlich, dass eine Massenflucht jederzeit möglich scheint. Hinzu kommen Hitzewellen, Dürren oder Überschwemmungen. Die Klimakrise fordert auch hier ihren Tribut.