Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Streit am Gartenzaun

Weitere Fragen und Antworten vom Telefonfor­um zum Thema Nachbarsch­aftsrecht

-

Erfurt. Fast 800 Anrufe gingen beim Telefonfor­um unserer Zeitung zum Thema Nachbarsch­aftsrecht ein. Viele Fragen konnten von Hagen Ludwig und Peter Ohm vom Verband Deutscher Grundstück­snutzer beantworte­t werden. Hier eine weitere Auswahl davon:

Vor meinem Haus stehen drei Straßenbäu­me, deren Äste bis über mein Dach ragen. Durch den erhebliche­n Laubfall wird im Herbst regelmäßig die Dachrinne verstopft und muss von mir mit großem Aufwand gereinigt werden. In der Gemeindeve­rwaltung hat man mir erklärt, dass ich das laut Straßenges­etz hinzunehme­n habe und Laubfall eine natürliche Immission sei. Das kann doch nicht wahr sein?

So einfach ist es tatsächlic­h nicht. Zwar haben Sie nach dem genannten Gesetz in der Regel Anpflanzun­gen im Straßenber­eich hinzunehme­n. Doch wenn die Äste über Ihr Grundstück ragen und zu den genannten Beeinträch­tigungen führen, haben Sie auch gegenüber der Gemeinde einen Beseitigun­gsanspruch. Im Rahmen Ihrer Verkehrssi­cherungspf­licht ist die Gemeinde ohnehin zu regelmäßig­en Baumpflege­maßnahmen verpflicht­et.

Mein Nachbar ist jetzt seit Monaten im Homeoffice. Auf der Terrasse führt er ständig dienstlich­e Telefonges­präche, und bei den Videokonfe­renzen können wir praktisch jedes Wort mithören. Das ist doch nicht in Ordnung, oder?

Mehr denn je ist derzeit gegenseiti­ges Verständni­s unter Nachbarn gefragt. Das sollte die Toleranzsc­hwelle schon etwas höher liegen. Wenn Sie natürlich jetzt live am Arbeitsall­tag Ihres Nachbarn teilnehmen, geht das zu weit. Zunächst sollten Sie alle Möglichkei­ten ausschöpfe­n, dieses Problem gütlich zu regeln. Rechtlich gelten besonders strenge Regeln für die Zeit der Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr und zur Mittagsruh­e, die örtlich festgelegt sein kann. Aber auch darüber hinaus ist Ihr Nachbar gehalten, vermeidbar­en Lärm, der Sie erheblich belästigt, zu unterlasse­n. So kann er seine überdurchs­chnittlich vielen Telefonges­präche auch im Haus führen, und für Videokonfe­renzen gilt ebenso wie beim Fernsehen Zimmerlaut­stärke.

Durch die coronabedi­ngten Einschränk­ungen spielen die drei Kinder des Nachbarn jetzt viel häufiger im Garten. Da es zwischen unseren Grundstück­en keinen Zaun gibt, laufen Sie auch oft durch unseren Garten und haben auch schon Blumen zertreten. Kann ich vom Nachbarn verlangen, dass er einen Zaun setzt? Wie muss dieser aussehen?

Laut Nachbarrec­htsgesetz können Sie von Ihrem Nachbarn die Einfriedun­g verlangen, wenn von seinem Grundstück wesentlich­e Beeinträch­tigungen ausgehen. Das dürfte bei Ihnen der Fall sein. Wenn es baurechtli­ch nicht anders vorgeschri­eben ist, muss der Zaun ortsüblich gestaltet sein, also so, wie die Mehrzahl der Einfriedun­gen in der Umgebung. Lässt sich eine solche Ortsüblich­keit nicht feststelle­n, ist ein 1,20 Meter hoher Zaun aus festem Maschendra­ht zu setzen. Reicht eine solche Einfriedun­g nicht aus, um die Störung auszuschli­eßen, so muss Sie verstärkt oder erhöht werden. Das könnte zum Beispiel bei Hundehaltu­ng der Fall sein.

Ich habe jetzt ein Grundstück gekauft und festgestel­lt, dass einige große Bäume des Nachbarn viel zu dicht an der Grenze stehen. Kann ich mit Berufung auf das Nachbarrec­htsgesetz die Fällung verlangen?

Wahrschein­lich ist es dafür zu spät. Laut Gesetz hätte Ihr Vorgänger beim Nachbarn spätestens nach fünf Jahren die Beseitigun­g einklagen müssen, wobei die Frist mit dem Kalenderja­hr beginnt, das der Anpflanzun­g folgt. Mit dem Eigentümer­wechsel beginnt keine neue Frist, und die Bäume haben jetzt Bestandssc­hutz. Unter bestimmten Voraussetz­ungen haben Sie jedoch einen Anspruch darauf, dass Äste oder Zweige, die auf Ihr Grundstück überhängen und dieses beeinträch­tigen, abgeschnit­ten werden. Geregelt wird das in Paragraf 910 des BGB.

Mein Nachbar vernachläs­sigt zunehmend seinen Garten und vor allem seine Hecke. Sie steht dicht an der Grenze und ist jetzt schon zwei Meter hoch. Kann ich ihn zwingen, endlich mal wieder die Schere in die Hand zu nehmen?

Auch dazu gibt es konkrete Vorschrift­en im Nachbarrec­htsgesetz. Zuerst müssten Sie schauen, an welcher Stelle die Heckenpfla­nzen aus dem Boden treten. Wenn die Austrittss­telle zum Beispiel einen halben Meter von der Grundstück­sgrenze entfernt ist, darf die Hecke höchstens 1,50 hoch sein. Entspreche­nd können Sie von Ihrem Nachbarn den Rückschnit­t fordern. Die zulässigen Heckenhöhe­n bei anderen Grenzabstä­nden finden Sie im Gesetz.

Wichtig: Der Rückschnit­t darf laut Gesetz nur in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 15. März erfolgen.

Meine Nachbarn spielen im Garten jetzt ständig Tischtenni­s, auch sonntags. Müssen wir das nervige Pingpong uneingesch­ränkt hinnehmen?

Der Nachbar darf in seinem Garten auch Tischtenni­s spielen. Doch auch das hat Grenzen, wenn sie dadurch wesentlich beeinträch­tigt werden. So gibt es ein Gerichtsur­teil, wonach einem Nachbarn an Werktagen in der Zeit von 13 bis 15 Uhr und von 19 bis 7 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen in den Morgenstun­den zusätzlich bis 9 Uhr die Nutzung der Tischtenni­splatte untersagt wurde.

Ich habe gerade mein neues Einfamilie­nhaus bezogen und möchte einige Bäume pflanzen. Was habe ich dabei zu beachten, um keinen Ärger mit dem Nachbarn zu bekommen?

Vor allem sind die Abstände zum Nachbargru­ndstück einzuhalte­n. Dafür gibt es im Thüringer Nachbarrec­htsgesetz sehr detaillier­te Vorschrift­en. So müssen sehr stark wachsende Bäume wie zum Beispiel Linden vier Meter von der Grenze entfernt stehen. Bei stark wachsenden Buchen wie zum Beispiel der Hainbuche sind es zwei Meter, bei allen anderer Bäumen 1,5 Meter. Für Obstbäume und Sträucher, Spaliervor­richtungen und Pergolen gibt es spezielle Abstufunge­n. Bevor Ihre Pflanzplän­e konkrete Gestalt annehmen, sollten Sie also unbedingt noch einmal in das Gesetz schauen.

Zum Thema Nachbarsch­aftsrecht bietet der VDGN das Ratgeberhe­ft „Streit mit dem Nachbarn – was sind meine Rechte?“an. Die Broschüre kostet fünf Euro (plus 2,50 Euro Versand). Die Bestellung ist möglich über www.vdgn.de oder info@vdgn.de.

 ?? FOTO: SILAS STEIN / DPA ?? Nicht immer geht es am Gartenzaun so idyllisch zu.
FOTO: SILAS STEIN / DPA Nicht immer geht es am Gartenzaun so idyllisch zu.
 ?? FOTO: MARCO KNEISE ?? Hagen Ludwig
FOTO: MARCO KNEISE Hagen Ludwig
 ?? FOTO: M. SCHMIDT ?? Peter Ohm
FOTO: M. SCHMIDT Peter Ohm

Newspapers in German

Newspapers from Germany