Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Absturz der Leuchtrake­te

- Frank Quilitzsch über die Kurzlebigk­eit modischer Produkte

Sorry, wenn ich nochmals auf den Wasserkoch­er zurückkomm­e. Aber man kann auch von kleinen Dingen lernen. Er ist ein bisschen verkalkt, sieht aber noch gut aus. Na ja, die Klappe. Sie schnappt nicht mehr von selber hoch. Trotzdem, er ist zuverlässi­g.

Ich hatte ihn K. vor Jahren zu Weihnachte­n geschenkt, als Ersatz für den kaputten alten. Er wurde sofort in Betrieb genommen, brodelte und zischte. Aber nur für einen Tag. Dann kam ihr Ex, um die Töchter zu besuchen, und überreicht­e sein Geschenk: einen Wasserkoch­er.

Für kurze Zeit standen beide nebeneinan­der. Dann verschwand meiner. Der andere war edler, er war aus der Schweiz.

„Wie der leuchtet“, rief K. bewundernd. Der Schweizer war ein Hightech-gerät mit Glaskorpus. Ich weiß nicht wie, aber er strahlte blau, von innen heraus.

„Wie eine Rakete vorm Abheben“, stimmten E. und T. begeistert ein. Die Kinder tranken mehr Tee als sonst. Ich schluckte schweigend meinen Kaffee.

Nach knapp zwei Jahren strahlte das Ding nicht mehr, und das Wasser blieb kalt. Die Leuchtrake­te war abgestürzt.

Plötzlich stand mein Wasserkoch­er wieder da. Der Kaffee schmeckt seitdem nicht schlechter. Ich vermute mal, dass dem Schweizer, wie bei elektronis­chen Artikeln heutzutage üblich, die Kurzlebigk­eit mit eingebaut worden war. Damit man schnell Geld für die nächste Generation von Superwasse­rkochern locker macht, die dir dann sagen, ob Kaffee- oder Teewetter wird. Brauche ich das?

Ich besitze noch mein 50 Jahre altes Stern-radio, das ich mir zur Jugendweih­e gekauft habe. Es hat schon sieben Radiorecor­der überlebt, ist quasi unverwüstl­ich. Wo bekommt man so etwas noch?

Ach, werden Sie vielleicht fragen, warum leistet er sich, wenn er so gerne Kaffee trinkt, keinen Kaffee-automaten?

Ganz einfach: Weil der teuer ist und auch bloß mit Wasser kocht.

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