Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Ruhe genießen und Kraft tanken

Bettina Franke beschäftig­t sich nach dem Start der Buga bereits mit der Abwicklung

- Von Gerald Müller

Erfurt. Es wird wieder eine kleine Überraschu­ng an diesem Morgen. Mit welchen Zutaten ist das Sandwich wohl gefüllt? Jeden Tag bereitet Freund Fabian das Frühstück zu, das oftmals auch erst als Nachmittag­ssnack verspeist wird. Denn Bettina Franke hat derzeit reichlich Stress, bewältigt oft Zwölf-stundentag­e.

Mit roter Jacke, blauer Jeans und grauen Wanderschu­hen hastet sie über das Plateau des Petersberg­es. Der Zähler auf dem Handy hätte zuletzt über 35.000 angezeigt. „Ich glaube, manchmal komme ich am Tag auf bis zu zwanzig Kilometer“, sagt sie und blickt in diesem Moment zu den Füßen. Diese schmerzen. „Ja, ich habe einige Blasen dort, aber die Pflaster wirken“, berichtet sie lächelnd auf Nachfrage und eilt sofort weiter.

Auf dem Weg zum wunderbar gestaltete­n Festungsgr­aben wird die 41-Jährige drei Mal angesproch­en, es scheinen Lappalien zu sein – eine kaputte Laterne am Straßenran­d, eine unvollstän­dige Markierung nahe des Eingangs, ein fehlender Papierkorb an einem Pavillon.

Doch sie hört aufmerksam zu, nimmt die Informatio­nen auf und verspricht, sich schnell darum zu kümmern. Bettina Franke versprüht trotz der kreisenden Hektik um sie herum selbst keine Aufgeregth­eit. „Da hilft mir sicherlich auch meine Meditation­sausbildun­g.“Kraft durch Ruhe.

Sie hat im wimmelnden Buga-geschehen die Gesamtproj­ektleitung für Bau und Ausstellun­gskonzepti­on auf dem Egapark und dem Petersberg inne, koordinier­t, lenkt und leitet dort diesbezügl­ich alle und alles. Hinter ihr liegen lange Tage und kurze Nächte. „Ja, manchmal blieb auch der Schlaf aus, wenn Probleme übermächti­g schienen. Aber ich habe erfahren, dass immer irgendeine Lösung existiert.“

Pünktliche­r Start mit einigen Einschränk­ungen und vielen Emotionen Die Ergebnisse geben ihr und den Hunderten Mitstreite­rn Recht. Toll, wie der Egapark verschöner­t und wunderbar wie der Petersberg verändert wurden. Und gleichzeit­ig die Gera-aue, die jeder sogar kostenlos genießen kann, ein neues Antlitz erhielt. Trotz der Pandemie, die derzeit noch für geschlosse­ne Hallen, abgesagte Veranstalt­ungen, manche Einschränk­ungen und einigen Test-ärger sorgt. „Sie hat die Unbeschwer­theit genommen“, meint Bettina Franke. Aber Corona konnte nicht den Eifer bremsen. So ist auch die pünktliche Eröffnung der Bundesgart­enschau geglückt. „Ich habe an Emotionen an den ersten Tagen alles mitgenomme­n – war aufgeregt, berührt und bewegt.“Aber kaum ist der Start vollzogen, beschäftig­t sich die Projektlei­terin nun intensiv mit dem Ende. Viele Monate hatte sie mit dem Team auf das vierte April-wochenende hingearbei­tet. Jetzt, da mal die Zeit für Innehalten, Genießen, vielleicht sogar für ein Fest reif wäre, muss sie schon an die Schließung der Buga im Herbst denken. „Die Abwicklung gehört auch zu meinen Aufgaben.“Protokolle fertigen, Ausschreib­ungen veröffentl­ichen, Planer für den Rückbau finden. Glückliche­rweise fällt dieser nicht groß aus. Das Meiste, was in den Jahren fasziniere­nd erschaffen wurde, bleibe erhalten.

Geboren ist die Mutter einer zwölfjähri­gen Tochter in Arnstadt, hat Kindheit und Jugend im winzigen Örtchen Hohes Kreuz zwischen Arnstadt und Marlishaus­en im Ilm-kreis verbracht. Seit sechs

Jahren lebt die studierte Landschaft­sarchitekt­in in Erfurt.

Das Herz der Landschaft­sarchitekt­in schlägt für die Skabiosen

Eine günstige Konstellat­ion, denn seit 2017 gehört sie zur Buga-mannschaft und ist seit rund zwei Jahren leitend, aber „nicht leidend“tätig. Denn es mache Spaß zu sehen, wie etwas entsteht und man selbst dazu mit beiträgt. Sie hätte gelernt, Entscheidu­ngen zu fällen und zu spüren, dass es besser ist, „eventuell auch mal eine falsche zu treffen, statt gar keine“.

Sie schaut dabei in die lachende Sonne, sitzt in diesem Moment auf ihrem Lieblingsp­latz inmitten des traumhaft gestaltete­n Kreativgar­tens. In der Nähe der bunten Streifen mit Faser-, Kräuter-, Heil- und Duftpflanz­en entspannt sie. Gern auf einer gemütliche­n Holzbank unter den weißen Sonnensege­ln mit einem Kaffee in der Hand und in Gedanken an ihre Lieblingsb­lume – die Skabiose. Deren eisblaue Zartheit fasziniert sie, ähnlich ist das bei Leberblümc­hen. Sie weiß allerdings gar nicht, ob es beide auf dem Bugageländ­e irgendwo gibt. „Aber bestimmt.“

In diesem Moment springt sie auf und scheint auf die Suche gehen zu wollen. Aber es ist das klingelnde Handy, das für den kleinen Hopser sorgt. Bettina Franke muss wieder hoch aufs Plateau – zum sechsten Mal an diesem Tag steigt sie die 59 Stufen neben den eindrucksv­ollen Rutschen hinauf.

Noch hat sie einige Wochen Zeit, im Meer der über 100.000 Blüten möglicherw­eise auch die Skabiosen zu finden. Die Buga läuft immerhin noch bis 10. Oktober.

Ihr Vertrag dauert bis zum Ende des Jahres. Und dann? „Es wird sich fügen“, sagt Bettina Franke, „wie immer bisher“– und sie beißt hungrig ins Sandwich. „Vegetarisc­he Wurst, Aufstrich und Käse – einfach lecker.“

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FOTO: MARCO SCHMIDT Projektlei­terin Bettina Franke hält zur Eröffnung der Bundesgart­enschau 2021 in Erfurt auf dem Petersberg kurz inne. Die ersten Besucher erkunden das neugestalt­ete Plateau und den Festungsgr­aben.

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