Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Urlaub nach „Klebstoff-sieg“
Das 8:0 über Estland lässt die deutsche Fußball-nationalmannschaft noch näher zusammenrücken
Mainz. „Abfahrt in zwei Minuten“, dröhnte es aus dem Hintergrund. Was Ilkay Gündogan mit einem Lächeln quittierte. Zwei Minuten also bis zum Urlaub, da blieb noch etwas Zeit, um über diesen besonderen Abend in Mainz zu sprechen. „Das tut extrem gut. Nicht nur mir, sondern uns allen“, sagte Gündogan. „Wir hatten alle eine sehr schwierige Zeit im Dfb-trikot. Doch das macht Bock auf mehr.“
Wobei mehr Tore schwierig werden dürften, denn gegen Estland kombinierte sich die deutsche Nationalmannschaft schon zu acht Treffern. Marco Reus (10. und 37.), Serge Gnabry (17. und 63.), Leon Goretzka (20.), Ilkay Gündogan (26./Foulelfmeter), Timo Werner (79.) und Leroy Sané (88.) trugen sich in die Torschützenliste ein. Zuletzt hat die Elf vor fast 13 Jahren beim 13:0 gegen San Marino höher gewonnen.
„Man darf das Ergebnis aber nicht überbewerten“, sagte Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff. „Estland war nicht der starke Gegner.“Nüchtern betrachtet brachte der dritte Sieg im dritten Spiel der Qualifikation für die Europameisterschaft 2020 zudem auch nicht mehr als drei Punkte ein.
Und doch hatte dieser Erfolg auch etwas Rauschhaftes. Nach dem blamablen Jahr 2018, den vielen drögen Auftritten. Das 8:0 war ein „Klebstoff-sieg“, der zum einen die Mannschaft noch einmal enger aneinander rückte. Der zum anderen auch die Profis und die Fans wieder enger aneinanderband. Lange war die Stimmung bei einem Länderspiel nicht mehr so ausgelassen wie im mit 26.050 ausverkauften Mainzer Stadion. „Es wächst was zusammen“, erklärte CoTrainer Marcus Sorg, der den verletzten Bundestrainer Joachim Löw vertrat.
Tatsächlich scheinen sich die Spieler immer besser zu verstehen. Bislang nutzen die Profis den freien Raum, der sich durch die Ausbootung von Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller ergeben hat. Die Jungen wie Kimmich (24), Niklas Süle (23) oder auch Goretzka (24) streben nach mehr Verantwortung. Und auch die Älteren wie Gündogan (28) und Reus (30) zählen zu den Gewinnern, weil sie nun bewusster vorangehen.
Erstmal zeige der Erfolg, dass man auf dem richtigen Weg sei, so Gündogan. „Er ist wichtig für unser Selbstvertrauen“, ergänzte Reus. Denn: „Wir wollen wieder nach ganz oben.“Allerdings werden die kommenden Gegner in der Em-qualifikation wesentlich mehr Aufschluss geben, wie nah die Mannschaft der Spitze schon ist. Erst reisen die Niederländer nach Hamburg (6. September), dann fliegt die DFB-ELF zum Tabellenführer Nordirland (9. September).
„Wir müssen da unseren Weg weiterführen und uns noch verbessern“, sagte Gündogan, ehe er sich verabschiedete. Die zwei Minuten waren rum. Urlaub.