Thüringer Allgemeine (Eisenach)

„Agrarförde­rung umschichte­n“

Eu-rechnungsh­ofpräsiden­t Klaus-heiner Lehne schlägt Alarm: Mitgliedss­taaten rufen 270 Milliarden Euro Fördergeld­er nicht ab

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verständli­ches Recht.

Regeleinha­ltung heißt noch nicht, dass Geld sinnvoll verwendet wird ...

Das prüfen wir jetzt verstärkt. Wir finden schon viele Eu-investitio­nen, die nicht nachhaltig und effizient sind. Ein Beispiel: Der Ausbau des transeurop­äischen Hochgeschw­indigkeits­eisenbahnn­etzes, den die EU mit Milliarden fördert, ist nach unserer Feststellu­ng teilweise nicht sinnvoll – zu teuer, zu langsam und unkoordini­ert. Auch bei der Förderung von Hafenanlag­en haben wir viel Kritikwürd­iges gefunden. Mitunter investiert die EU in Bereiche, in denen die Mitgliedst­aaten selber nur unzureiche­nd die notwendige­n ergänzende­n Maßnahmen ergreifen. Oder es wird Konkurrenz zu funktionie­renden Einrichtun­gen gefördert, deren Wirtschaft­lichkeit plötzlich gefährdet ist. Umgekehrt bleiben auch Milliarden liegen.

Diese Entwicklun­g macht uns richtig Sorgen. Die riesigen Rückstände sind ein großes Problem. Die Summe der nicht abgerufene­n Mittel für Euförderpr­ogramme ist auf den Rekordstan­d von 270 Milliarden Euro gestiegen. Die Gelder sind von der EU zugesagt, werden aber nicht ausgegeben.

Wir haben die Kommission gemahnt, den Berg abzubauen – stattdesse­n wird er immer größer und ist nun doppelt so groß wie ein Eu-jahresetat.

Was läuft schief?

Betroffen sind verschiede­ne Staaten, auch zum Beispiel Italien. Sie können größere Teile der ihnen zugedachte­n Fördergeld­er nicht nutzen. Zum Teil werden die Bedingunge­n nicht erfüllt. Oder die Staaten haben gar keine Projekte, die den Förderkrit­erien entspreche, oder sie bringen die Kofinanzie­rung nicht zustande. Teilweise konnten die Staaten nicht einmal zuständige Verwaltung­sbehörden benennen.

Die EU plant also viele Milliarden ein, um bestimmte Ziele zu erreichen, und am Ende passiert nichts?

Das Geld kann dann nicht eingesetzt werden. Die Mittel sind festgelegt und können größtentei­ls nicht umgeschich­tet werden. Die fehlende Flexibilit­ät im Eu-haushalt ist auch sonst ein großes Problem. Der Etat ist weitgehend fixiert über einen Zeitraum von sieben bis zehn Jahren, Änderungen sind kaum möglich. Der Kommunismu­s ist schon an einem Fünf-jahresplan gescheiter­t – wir machen einen Sieben-jahres-plan. Das führt dazu, dass der Eu-haushalt auf neue Krisen – Migration, Finanzkris­e und was noch kommen mag – selbst nicht die nötigen Antworten geben kann. Das Geld ist einfach nicht da, es ist ja festgeschr­ieben.

Aber die EU handelt doch ...

Es entstehen heikle Mischfinan­zierungs-modelle: Ein bisschen nimmt man aus dem Eu-haushalt, die große Masse kommt aus den nationalen Haushalten – so entsteht eine Galaxie von Schattenha­ushalten rund um den eigentlich­en Eu-etat. Damit geht jede Transparen­z und Kontrollmö­glichkeit auch für die Parlamente verloren. Das ist kein Zustand. Wir brauchen mehr Flexibilit­ät im Eu-haushalt, um schnell und problemlos Prioritäte­n wechseln zu können. Und wir müssen die Schattenha­ushalte zurückführ­en.

Gerade wird der neue Siebenjahr­es-plan der EU ab 2021 beraten. Bei der Agrarpolit­ik und der Regionalfö­rderung soll leicht gekürzt werden – aber es bleiben die beiden größten Brocken im Eu-haushalt mit fast 750 Milliarden Euro über die sieben Jahre. Was ist Ihr Rat? Wir Rechnungsp­rüfer haben Zweifel, dass die Zielsetzun­g in der Agrarpolit­ik noch den Vorgaben in den Verträgen entspricht. Massive Strukturve­ränderunge­n in der Landwirtsc­haft haben dazu geführt, dass die klassische Aufgabe der Landschaft­spflege durch bäuerliche Betriebe in bestimmten Regionen unzureiche­nd erfüllt wird. Die Betriebe sind in der Tendenz immer größer geworden, zum Teil haben wir eine Agrarindus­trie, in der sogar Aktiengese­llschaften tätig sind. Die Förderung solcher Betriebe in diesem Umfang, ohne dass es Kappungsgr­enzen gibt, macht wenig Sinn. Auf der anderen Seite werden die Umweltschä­den, die durch die Agrarindus­trie entstehen, zum Teil mit Eu-programmen wieder bekämpft.

„Der Kommunismu­s ist schon an einem Fünf-jahres-plan gescheiter­t – wir machen einen Sieben-jahres-plan.“

Und die Konsequenz?

Man muss die Agrarförde­rung viel stärker auf kleine und mittelstän­dische Betriebe konzentrie­ren. Auch im Bereich der Strukturun­d Regionalfo­nds ist eine stärkere Fokussieru­ng auf konkrete Ziele notwendig. Haushaltsk­ommissar Oettinger geht da im Prinzip schon in die richtige Richtung. Die Effizienz muss stärker im Vordergrun­d stehen, die Investitio­nen müssen auch sinnvoll sein. Wir müssen deshalb bei den großen Bereichen umschichte­n.

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Mähdresche­r bei der Getreideer­nte: Ursprüngli­ch sollten Agrarsubve­ntionen der Naturpfleg­e dienen. Heute prägen oft Großbetrie­be das Bild. Fotos: Julian Stratensch­ulte, dpa; Funke Foto Services
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Eu-kontrolleu­r Klaus-heiner Lehne

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