Thüringer Allgemeine (Eisenach)
„Ich dachte, heute sei
Es gibt viele Gründe, zu spät zur Arbeit zu kommen. Wenn es passiert, ist es besser, sich zu entschuldigen, bevor man sich immer tiefer in eine (Not-)lüge verstrickt
Den Wecker überhört, Kaffee über der Hose verschüttet, beim letzten Blick in den Spiegel plötzlich Make-upreste an der Bluse entdeckt – es gibt viele Gründe, zu spät zur Arbeit zu kommen. Wenn keine wichtigen Termine verpasst wurden, sollte eine kurze Entschuldigung eigentlich reichen – gerade wenn der Arbeitgeber ein Zeiterfassungssystem betreibt. Tatsächlich jedoch verspüren viele Menschen den Impuls, ihre Fehler und Verspätungen vor anderen zu rechtfertigen und beziehen sich dabei gern auf eine „höhere Gewalt“wie Verkehr oder Wetter.
Während die durchsichtigen Notlügen von Promis und Politikern mitunter sogar gefeiert werden, stößt der durchschnittliche Arbeitnehmer rasch auf Unverständnis. Anstatt Mitleid zu erregen, nerven notorische Zuspätkommer mit ihren Geschichten von ausgefallenen Zügen, verspäteten Bussen, Stau auf der Autobahn oder dem nicht erschienenen Kindermädchen schnell.
Folgenlos bleibt derlei Verhalten auch nicht, wie Mediatorin Sandra Koch aus Frankfurt am Main weiß: „Wer immer wieder Ausreden benutzt, statt Deadlines einzuhalten oder versprochene Zuarbeit zu liefern, muss sich bewusst sein, dass Ausreden meist weniger glaubhaft wirken, als man denkt. Vor allem kommen sie nicht gut an – weder beim Chef noch bei den Kollegen.“
In minderschweren Fällen ist es besser sich zu entschuldigen, statt lang herumzureden. Wer kann, darf auch mal die Schuld für Kollegen auf sich nehmen. So gewinnt man nicht nur Sympathie, sondern auch Unterstützung, wenn man einmal selbst in der Bredouille steckt.
Grundsätzlich sollte man nie Ausreden wählen, die einen in schlechtem Licht oder als verantwortungslos erscheinen lassen. Im Internet finden sich zahllose Listen zum Thema „Die besten und die schlechtesten Ausreden aller Zeiten“. Wirklich hilfreich sind sie meist nicht. Wegen der Party am Vorabend verschlafen zu haben, wird einem kein Verständnis bringen – dies sollte eigentlich jedem bewusst sein. Spätestens wenn diese Ausrede zum zweiten Mal fällt, hat man seinen eigenen Ruf nachhaltig geschädigt.
„Verheerend sind hanebüchene Ausreden, von denen manche denken, sie wären perfekt, gerade weil sie so verrückt klingen, dass man sie sich nicht ausdenken kann“, sagt Sandra Koch. „Seien Sie ruhig weniger kreativ. Langweilige Ausreden, die schnell vergessen werden, sind meist besser als wilde Geschichten, mit denen man sie fortan in Verbindung bringen wird.“
Doch Ausreden dienen auch dazu, vor sich selbst nicht als Versager dazustehen. Koch weiß von vielen Fällen: „Wer merkt, dass er vor Kollegen und Vorgesetzten permanent nach Ausreden sucht, sollte überprüfen, ob er nicht auch sich selbst gegenüber unehrlich ist. So können Ausreden auch ein Symptom dafür sein, dass wir mit unseren Aufgaben, unserer Stellung, vielleicht sogar mit unserem Job unglücklich sind“, so Koch.
Mehrfaches Lügen gilt wegen des zerbrochenen Vertrauensverhältnisses als Kündigungsgrund – genau wie wenn die Lüge – aber auch das Verschweigen der Wahrheit – direkt für den Betrieb relevant ist, etwa bei ansteckenden Krankheiten oder falscher Darstellung von Verkehrsunfällen mit dem Dienstfahrzeug.
Notlügen sind erlaubt bei Fragen, die der Arbeitgeber gar nicht stellen dürfte, nach Religions- und Parteizugehörigkeit etwa oder zur sexuellen Orientierung. Auch bei Krankschreibungen sind Notlügen in Ordnung. Bei vorgetäuschten Krankheiten liegt man mit „Zahnschmerzen“und „Magen-darm“auf der sicheren Seite. Doch Achtung: Jeder dritte Arbeitgeber überprüft Mitarbeiter, die sich krank melden.
Es gibt auch Beispiele, in denen die Wahrheit fürs Fernbleiben unangebracht ist – etwa wenn es ums Bewerbungsgespräch bei einer anderen Firma geht. „Fragen Sie am besten nach einem Vorstellungstermin außerhalb Ihrer Arbeitszeit, alternativ nach einen am Anfang oder Ende des Arbeitstags“, rät Sandra Koch. „Oft lässt sich so etwas auch in die Mittagspause verlegen. Benötigen Sie mehr Zeit, reicht es meist schon, zu sagen, Sie hätten noch einen Termin. Da wird viel seltener nachgefragt, als man vermutet.“
Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, nimmt für solche Termine einen halben oder ganzen Tag Urlaub. Denn als Faustregel gilt: Die beste Ausrede ist letzten Endes die, die man gar nicht braucht.