Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Experimente mit Oberon und Titania
Karsten Jauch über einen neuen Sommernachtstraum in Weimar
Das Meininger Theater und Shakespeares Sommernachtstraum haben eine lange Tradition. Intendant Max Grube jubelte einst: „Hoheit wollen den Sommernachtstraum selber träumen“. Das war im Februar 1909, als sich der legendäre Theaterherzog Georg II. zur Inszenierung der Komödie entschlossen hatte. Ein Jahr später entstand das Bühnenbild. Es sind die bis heute erhalten gebliebenen Prospekte für den „Zauberwald“von Athen. Es ist ein Bühnenbild, das sich auf einer Fläche von fast 300 Quadratmetern bis auf die Hinterbühne erstreckt.
Die großen Gastspiele der Meininger waren damals schon Geschichte. In Großbritannien hinterließ die Theaterarbeit einen derart tiefen Eindruck, dass nach dem Vorbild der Meininger die Royal Shakespeare Company (RSC) gegründet wurde. Deren Sammlung wiederum — die Rsc-collection – kam kurz vor dem Mauerfall nach Meiningen, um in einer sensationellen Ausstellung die Inszenierungsgeschichte des Sommernachtstraums zu analysieren. „Dreams“hieß die Ausstellung, die im Juli 1989 eröffnet wurde. Im Mittelpunkt stand das Bühnenbild des „Zauberwaldes“.
Jetzt kommt wieder so ein Impuls aus Meiningen. Regisseur und Schauspieler Paul Enke, der in Meiningen aufgewachsen und mit der Theatergeschichte vermutlich vertraut ist, präsentiert im Studiotheater Belvedere in Weimars seine Sicht. „Achtung Triebjagd! (K)ein Sommernachtstraum“heißt das Projekt, das am Donnerstag Premiere hat. Auf der Bühne schlüpfen die Gesangsstudenten in die Rollen von Titania und Oberon, Puck und Lysander. Es erklingen Werke von eher selten aufgeführten Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Offenbar kehrt der junge Regisseur die ganze schöne Strategie von Shakespeare um, in dem er fragt: „Ist die Paarbeziehung nicht genauso ein aufgeladen romantischer Sehnsuchtsort, ebenso facettenreich in der Literatur aller Epochen beschworen, wie der Mythos vom Wald, in den man sich flieht vor der bösen Welt? Und wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, gnade Gott dem Wandrer ohne Zuflucht.“
Das klingt nach Eskapismus. Nur welche Form: der Streich, das Abenteuer oder die Abwehr des Unerfreulichen?