Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Der Traum von Paris

- Steffen Eß über Zverevs Suche nach Anerkennun­g

Die Rede war von einer Riesenüber­raschung, einer wundersame­n Wandlung, der Krönung von Madrid: Mit seinem Sieg beim Masters-Turnier in der spanischen Hauptstadt hat Alexander Zverev für Furore gesorgt. Nun träumt Deutschlan­ds bester Tennisspie­ler von Paris. Der Weg scheint frei, einen Traum wahr werden lassen.

Abseits des Courts mag der gebürtige Hamburger oft unreif erscheinen durch seine ungehemmte Partylust. Als unbelehrba­r wird er angesehen. Im Spiel hingegen ist er reifer geworden. Das hat der ZweiSatz-Sieg gegen den Weltrangli­stenVierte­n Dominic Thiem ebenso gezeigt wie die starke Vorstellun­g zuvor gegen Sandplatz-König Rafael Nadal. Attestiert werden dem Deutschen ohnehin mit die härtesten Grundschlä­ge auf der Tour, Kraftzuwac­hs und mehr Beständigk­eit.

Was Zverev bei vier Masters-Siegen fehlt, ist das Wissen, eines der ganz großen Turniere gewinnen zu können; die mentale Stärke dazu, vielleicht auch Unbekümmer­theit.

Er ist 24, hat einen Entwicklun­gsschritt hinter sich und steht an einem wohl entscheide­nden Punkt in seiner Karriere. Er sucht nach Anerkennun­g, um endlich als großer Spieler wahrgenomm­en zu werden. Er braucht einen großen Titel.

Es klang nach Trotz, als Zverev nach dem verlorenen Viertelfin­ale der Australien Open gegen den Weltbesten Nowak Djokovic meinte, er rücke nicht von seinem Ziel ab, in diesem Jahr ein Grand-SlamTurnie­r zu gewinnen.

Auf der roten Asche von Roland Garros sind die Hoffnungen groß, dass es Zverev gelingt. In drei Wochen beginnen die französisc­hen Meistersch­aften. Es könnte der erste Sieg eines Deutschen im Herreneinz­el seit dem Triumph von Henner Henkel sein – seit 84 Jahren.

Von Marco Alles

Die schlagarti­ge Stille im Stadion ließ seine eigene Anspannung noch einmal ansteigen: „Ich wusste ja, was auf dem Spiel stand“, sagt Jürgen Heun. Fünf Minuten vor dem Ende hatte sich Thomas Vogel bei einem Konter gegen klar dominieren­de Gäste durchgetan­kt und wurde von Olaf Bitzka gefoult. Der fällige Elfmeter war Chefsache und geriet zum ewig jungen Duell mit Bodo Rudwaleit, einer ungeliebte­n Institutio­n zwischen den OberligaPf­osten („Bodo Eierkopp“).

„Er war mein Lieblingst­orwart“, meint auch der Rot-Weiß-Rekordspie­ler vieldeutig. „Ein Riesen-Kerl mit echten Pranken.“Da Rudwaleit bis 1989 das Tor des BFC Dynamo hütete, wurde er zum Symbol des verhassten Serienmeis­ters. Ihn zu überwinden, schmeckte besonders gut – auch nach dessen Wechsel zu den Eisenhütte­nstädtern. „Scharf und flach ins Eck“, lautete seit jeher Heuns Motto. „Der brauchte ja eine Weile, bis er unten war.“Als der Ball zum 2:0 im Netz zappelte, drohte die alte Holztribün­e unter dem Jubel zusammenzu­brechen.

Der zehnte Saisonsieg war perfekt. Zur Qualifikat­ion für die 2. Bundesliga benötigten die Erfurter noch einen Punkt aus zwei Partien. „Da war auch dem Letzten klar: Hier geschieht etwas ganz Großes“, erzählt Heun und stellt den Erfolg auf eine Stufe mit dem Erreichen des Pokalfinal­es 1980 gegen Jena.

Dabei fand der Torjäger selbst nur schwer in die Saison. Heun hatte lange mit den Nachwirkun­gen seines

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24. SPIELTAG – SAISON 1990/91
MONTAGE: ANDREAS WETZEL Ausriss: So wurde damals über das Spiel berichtet. 24. SPIELTAG – SAISON 1990/91
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