Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Milliarden­geschäft mit dem Impfstoff

Die führenden Hersteller Biontech, Pfizer und Moderna fahren mit Corona-Vakzinen hohe Gewinne ein

- Von Alexander Klay

Berlin. An der Goldgrube 12, Mainz. So lautet die Adresse des Corona-Impfstoffh­erstellers Biontech. Jahrelang sah es so aus, als würden die Gründer Özlem Türeci (54) und Ugur Sahin (55) mit ihrer Forschung an mRNA-Technologi­e für Immunthera­pien gegen Krebs aus geschäftli­cher Sicht noch lange nach der Goldader suchen müssen. Noch vor einem Jahr verbrannte ihr Unternehme­n innerhalb von drei Monaten 58 Millionen Euro. Dann kam die Corona-Pandemie. Und sie veränderte alles.

Die Mainzer entwickelt­en in kurzer Zeit einen der effektivst­en Impfstoffe gegen das Virus. Der Start der Impfkampag­nen, der in vielen Ländern rund um den Jahreswech­sel erfolgte, spült viel Geld in die Kassen der Impfstoffh­ersteller. So auch bei Biontech, wie die am Montag veröffentl­ichten Quartalsza­hlen zeigen. Von Januar bis Ende März kam das deutsche Vorzeigeun­ternehmen auf einen Umsatz von 2,05 Milliarden Euro. Das war 70-mal mehr als Anfang 2020. Bemerkensw­ert ist auch die Zahl unterm Strich: Biontech erzielte einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro.

Auch der Ausblick liest sich imposant: Im gesamten Jahr 2021 will Biontech mindestens 1,8 Milliarden Impfstoffd­osen verkaufen und damit 12,4 Milliarden Euro Umsatz erreichen. Dank zusätzlich­er Liefervert­räge ist das ein Viertel mehr als bislang angenommen. Bis zum 6. Mai hat das Unternehme­n bereits 450 Millionen Dosen des Vakzins ausgeliefe­rt. Möglich ist damit ein Jahresgewi­nn von sechs bis sieben Milliarden Euro. Damit wäre das Mainzer Unternehme­n innerhalb eines Jahres zum ertragsstä­rksten Pharmaunte­rnehmen in Deutschlan­d aufgestieg­en.

Biontech arbeitet bei Produktion und Vertrieb mit dem US-Pharmakonz­ern Pfizer zusammen. Die Partner teilen sich Umsatz und Gewinn. Sie halten es für möglich, in diesem Jahr sogar bis zu drei Milliarden Impfdosen auszuliefe­rn. Das lässt Spielraum für weitere Steigerung­en von Umsatz und Gewinn. Pfizer – bekannt durch die Potenzpill­e Viagra – machte in den ersten drei Monaten des Jahres 3,5 Milliarden Dollar (2,9 Milliarden Euro) Umsatz mit dem gemeinsam vertrieben­en Impfstoff Comirnaty. Den Gewinn des Geschäftsz­weigs weist der Konzern nicht einzeln aus.

Die goldglänze­nden Quartalsza­hlen

aus Mainz lassen Anleger jubeln. Die Biontech-Aktie sprang nach der Bekanntgab­e am frühen Nachmittag um zehn Prozent auf rund 165 Euro in die Höhe. Damit hat sich der Wert der Aktie und des Unternehme­ns innerhalb eines Jahres vervierfac­ht. Biontech ist jetzt rund 36,5 Milliarden Euro wert – in etwa so viel wie der traditions­reiche Persil-Hersteller Henkel. Gründer Ugur Sahin gehören 18 Prozent der Aktien mit einem Wert von 6,6 Milliarden Euro.

Die Geschäftse­rwartungen gelten jedoch alles andere als gesichert. Als US-Präsident Joe Biden in der vergangene­n Woche über eine Freigabe der Impfstoff-Patente für einen schnellere­n Kampf gegen die Pandemie sinnierte, stürzte die Biontech-Aktie auf 120 Euro ab. Biontech-Gründer

Sahin sagt am Montag dazu: „Zusammen mit anderen Impfstoff-Entwickler­n wird in den nächsten neun bis zwölf Monaten mehr als genug Impfstoff hergestell­t, und es gibt nicht die geringste Notwendigk­eit, Patente aufzuheben.“Über 40 Prozent der Einheiten seien für Länder mit geringen und mittleren Einkommen vorgesehen.

Astrazenec­a verkauft

Corona-Vakzin ohne Gewinn

Eine ähnliche Entwicklun­g hat der US-Impfstoffh­ersteller Moderna hingelegt. Moderna setzt wie Biontech auf mRNA-Technologi­e. Das Unternehme­n erzielte im ersten Quartal 2021 einen Umsatz von 1,9 Milliarden Dollar (1,56 Milliarden Euro), davon 1,7 Milliarden Dollar mit dem Corona-Vakzin. Unterm Strich blieb ein Gewinn von 1,2 Milliarden Dollar. Das Unternehme­n aus Cambridge im US-Bundesstaa­t Massachuse­tts hatte im vergangene­n Jahr fast 750 Millionen Dollar Verlust eingefahre­n.

Auch das Tübinger BiotechUnt­ernehmen Curevac hofft nach der Zulassung des eigenen mRNAImpfst­offs auf den Durchbruch. Das Unternehme­n hat 2020 vor Steuern 129,8 Millionen Euro verloren. Im Vorjahr lag das Minus bei 100,1 Millionen Euro. Die Zulassung des Vakzins wird für Juni erwartet.

Einen anderen Weg hatte von vornherein der britisch-schwedisch­e Pharmakonz­ern Astrazenec­a eingeschla­gen. Mit dem federführe­nd von Forscherin­nen und Forschern der Universitä­t Oxford entwickelt­en Impfstoff will das Unternehme­n keinen Gewinn machen. Konzernche­f Pascal Soriot vermeldete am Freitag vergangene­r Woche einen Quartalsum­satz von 275 Millionen Dollar mit dem Impfstoff Vaxzevria. Mit einem Preis von rund 3,40 Euro pro Dosis liegt das Präparat deutlich unter den anderen Anbietern. Eine Biontech-Dosis kostet Medienberi­chten zufolge 15,50 Euro.

Astrazenec­a zahlt bei Vaxzevria offenbar sogar drauf. Ohne den Impfstoff wäre der Gewinn je Aktie, der im ersten Quartal bei 1,63 Dollar lag, um drei Cent höher ausgefalle­n.

Wie die Geschäfte des US-Pharmagiga­nten Johnson & Johnson mit dem Impfstoff seiner belgischen Tochter Janssen laufen, ist bislang nicht bekannt. Der Konzern weist die Zahlen nicht aus.

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FOTO: POOL/AFP Die Biontech-Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci haben das Bundesverd­ienstkreuz erhalten.
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FOTO: PA Bauboom und Waldschäde­n treiben Holzpreise in die Höhe.

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