Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Verfassungsrechtliche Zweifel am Hochschulgesetz
Gutachten im Auftrag der Cdu-fraktion sieht Wissenschaftsfreiheit in Gefahr – Koalition spricht von „Panikmache“
Das Thüringer Hochschulgesetz der rot-rot-grünen Landesregierung bleibt auch anderthalb Jahre nach seiner Verabschiedung durch den Landtag umstritten. So attestiert ein gestern vorgestelltes Gutachten erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Das Paragrafenwerk sei „mit der Wissenschaftsfreiheit des Grundgesetzes nicht vereinbar“, sagte der Rechtswissenschaftler Hermann-josef Blanke, der von der Cdu-fraktion mit der Expertise beauftragt worden war. Es werde beispielsweise nicht ausreichend sichergestellt, dass in Fragen von Forschung und Lehre die Hochschullehrer eine Stimmenmehrheit in den Hochschulgremien hätten. Damit könne selbst in dringenden Angelegenheiten der Entscheidungsprozess blockiert werden, so Blanke, der an der Universität Erfurt einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europäische Integration innehat.
Der Cdu-wissenschaftspolitiker Mario Voigt fühlte sich durch das 111 Seiten starke Gutachten in seiner Auffassung bestätigt: Das Gesetz führe „zu einer organisatorischen Unregierbarkeit“der Hochschulen.
Solche Äußerungen hält der Linke-abgeordnete Christian Schaft für „reine Panikmache“. Bei den Gesprächen mit den Hochschulleitungen im Rahmen seiner Campustour in diesem Sommer habe keine der zehn Hochschulen diese Angst geäußert.
„Sicherlich müssten neue Verfahrenswege eingeübt werden, aber die Panik, die die CDU verbreitet, ist an den Hochschulen nicht vorhanden“, betonte Schaft.
Das sieht die Grünen-parlamentarierin Madeleine Henfling genauso. Das Hochschulgesetz sei das Ergebnis eines breitgeführten Dialogprozesses mit allen Beteiligten und Akteuren. Die vorgebrachten Standpunkte seien genau geprüft und nach besten Wissen und Gewissen abgewogen worden. Dabei habe Rot-rot-grün natürlich auch in der Frage der Senatsbesetzung die verfassungsrechtlichen Abwägungen einbezogen. „Das Agieren der CDU ist eine reine Nebelkerze. Sie macht hier billigen Wahlkampf. Es gibt keinen Mehrgewinn“, urteilte Henfling.
Das Gutachten sei überflüssig, weil bereits im vergangenen Jahr eine Klage von 32 Professoren gegen das Hochschulgesetz beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde, meinte Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Dem Ergebnis sehe er gelassen entgegen. Auch dass das Gutachten die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes infrage stelle, sei kaum erstaunlich. „Schließlich ist der Gutachter zugleich der Prozessführer der Verfassungsklage“, kritisierte der Minister.
Afd-fraktionärin Wiebke Muhsal sprach indes von einer Gefahr für die Lehrfreiheit der Professoren. Schon in den Anhörungen sei massive Kritik geübt worden, die Rot-rot-grün ignoriert habe.
Daran kann sich auch CDUMANN Voigt noch gut erinnern und kündigte an: In einer neuen Legislaturperiode wolle seine Fraktion sofort für eine Novelle werben.