Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Auftakt-blamage: 0:1 gegen Mexiko
Weltmeister Deutschland spielt fahrlässig und nachlässig. Quittung ist die erste Start-pleite seit 1982
Seinen Optimismus kann der 58-Jährige, der kurzfristig auf den erkrankten Jonas Hector verzichten musste und stattdessen Marvin Plattenhardt aufbot, schwerlich aus diesem Spiel ziehen. Die deutsche Mannschaft wirkte gerade in der ersten Halbzeit überfordert, sich der Leidenschaft und dem Willen der Mexikaner entgegenzustellen.
„Klar sind wir enttäuscht. Für uns ist das eine absolut ungewohnte Situation, die wir nun annehmen müssen“, forderte Löw, der in seiner Amtszeit stets mit Siegen in Turniere gestartet war. Seine Mannschaft war immer zum richtigen Zeit in der richtigen Form. Dieses Mal bei weitem nicht. „Die Mannschaft hat genug Erfahrung, auch mal mit so einer Niederlage umzugehen. Wir werden wieder aufstehen, wir müssen das nächste Spiel gewinnen.“
Genauer müssen nun zwei Siege her gegen Schweden und Südkorea, um weiterzukommen und idealerweise noch einem Achtelfinal-duell mit Brasilien aus dem Weg zu gehen. Und Löw hält fest: „Wir stehen jetzt unter Druck.“
Doch es ist eben nicht nur das blanke Ergebnis, das so ernüchternd geriet, sondern auch das deutsche Spiel. Wie in den jüngsten Spielen bot Deutschland dem Gegner Hilfestellung durch Ballverluste, die unendliche Räume öffneten. Die Weltmeister – acht Spieler aus dem Kader von 2014 standen in der Startelf – hechelten ächzend immerzu hinterher. Wie beim entscheidenden Tor, das Hirving Lozano in der 35. Minute kühl konternd erzielte.
„Wir haben keine zu alte Mannschaft, davon sind wir weit entfernt“, erklärte Löw vor dem Eindruck mangelnder Dynamik seiner Mannschaft. Sie war da. Fraglich nur, ob die aus Bequemlichkeit resultierte oder aus körperlichen Mängeln, wie sie der lange verletzte Jerome Boateng offenbarte.
Die zweite Halbzeit geriet zwar ansprechender, aber letztlich waren es nur Halbchancen, die über 90 Minuten heraussprangen. Ein Freistoß von Toni Kroos klatschte an die Latte (39.), ein letzter Schuss von Julian Brandt glitt vom Außenpfosten ab (90.). Timo Werner (3./20.), der indisponierte Sami Khedira, der ansprechende Julian Draxler (55./77.) sowie Joshua Kimmich (65.) brachten nur Gelegenheitchen zustande.
Doch Löw wäre nicht Löw, wenn er nicht fast trotzig an dem festhielte, was er für dieses Turnier ersonnen hat. Ein Gerüst aus Weltmeistern, das schon Schlachten geschlagen und Titel gewonnen hat.
„Wir werden jetzt nicht unseren Plan über den Haufen werfen. Wir werden nicht auseinanderfallen“, versprach der Bundestrainer. Kleinere Korrekturen wolle und müsse er aber sehr wohl vornehmen, sagte Löw ruhig. Er monierte die vielen Ballverluste, das fahrige Pass-spiel, die fehlende Tiefe und Gefahr. Aber, sagt Löw, „wir haben noch alle Möglichkeiten, das zu korrigieren.“
Als sich der Bundestrainer etwas später auf den Weg machte, das Stadion in Moskau zu verlassen, da warf er einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Wie spät? Zu spät? Für einen Auftaktsieg in jedem Fall. Für alles weitere nicht unbedingt. 1982, als der Start ähnlich übel geraten war, da zog die deutsche Elf noch ins Finale ein.
Das war nicht nur für die Zuschauer sehr ernüchternd. Mexiko hat sich als der erwartet unangenehme Gegner erwiesen und letztlich auch verdient gewonnen. Dass sie der schwierigste Konkurrent in dieser Gruppe sind, haben sie eindrucksvoll gezeigt. Wir haben insgesamt zu wenig gemacht, zu viele Bälle verloren und Leichtsinnsfehler begangen.
Augenscheinlich waren vor allem die vielen Fehlabspiele und Unkonzentriertheiten. Da muss man sich schon fragen, wie körperlich fit unsere Spieler sind? Wie sich Khedira vor dem 0:1 den Ball abluchsen ließ, das war zu einfach. Aber auch die Außen haben oft keinen Zugriff bekommen und zu viel zugelassen. Und offensiv haben wir auch kaum klare Chancen erarbeitet. Beim Freistoß von Kroos war sicher ein wenig Pech dabei. Aber von einem Spieler wie Gomez erwarte ich, dass er eine gute Kopfballchance besser nutzt. Auch der junge Werner musste feststellen, dass es auf dieser Ebene anders aussieht als in der Bundesliga. Hinzu kommt die große Erwartungshaltung.
Ich bin mir sicher, dass Trainer Löw in der nächsten Partie gegen Schweden Veränderungen vornehmen wird. Als Reus ins Spiel kam, wurden wir deutlich agiler. Er hat für die Belebung gesorgt, die ich mir viel mehr und eher gewünscht hätte. Namentlich möchte ich mich aber nicht festlegen.
Gegen Schweden muss nun eine Leistungssteigerung her. Das ist kein einfacher Gegner, da sie ähnlich wie die Deutschen spielen und sehr körperbetont agieren. Dennoch denke ich, dass Deutschland die Gruppenphase überstehen wird und in das Achtelfinale einzieht.
Der gebürtige Werningshäuser spielte sowohl für den FC Rot-weiß als auch FC Carl Zeiss Jena und bestritt Länderspiele für die Ddr-auswahl