Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Wie wird mein Diesel sauber?

Nur nachgerüst­et entgehen ältere Autos dem Fahrverbot. Kanzlei will Anspruch auf Kostenerst­attung einklagen

- Von Alexander Klay

Im Kampf gegen Dieselfahr­verbote wegen dicker Luft in deutschen Großstädte­n sollten Hardware-nachrüstun­gen den Durchbruch bringen. Darauf einigten sich Bund und Hersteller nach langer Debatte bei einem Dieselgipf­el 2017. Während zehn Städte ältere Dieselauto­s bereits ausgesperr­t haben oder dies kurz bevorsteht, blieb es um die lang ersehnte Technik still. Erst seit Sommer 2019 sind Systeme von den deutschen Hersteller­n Dr. Pley und Twintec Baumot auf dem Markt und vom Kraftfahrt-bundesamt (KBA) zugelassen.

Doch trotz Dieselfahr­verboten etwa in Berlin, Gelsenkirc­hen, Hamburg oder Stuttgart: Die Nachfrage nach dem Einbau des nötigen Scr-katalysato­rs ist bundesweit mehr als verhalten – obwohl zumindest VW und Daimler Kosten von bis zu 3000 Euro auf Antrag erstatten.

Die nüchterne Bilanz: Bundesweit sind erst einige Hundert Dieselauto­s nachgerüst­et worden. Martin Pley, Chef des Technikent­wicklers Dr. Pley, spricht von 350 Fahrzeugen. In der Regel handele es sich um Mercedes-pkw aus der Region Stuttgart. Dort dürfen ältere Diesel seit vergangene­m Jahr nicht mehr ins Stadtgebie­t und es drohen vergleichs­weise hohe Strafen.

Nachrüst-systeme für die gängigsten Dieselmode­lle

Dabei sind auf deutschen Straßen nach jüngsten Kba-zahlen noch rund 5,2 Millionen Diesel mit der

Abgasnorm Euro 5 unterwegs. Der Scr-katalysato­r, der Harnstoff (Adblue) in den Abgasstrom einspritzt, soll die potenziell gesundheit­sschädlich­en Stickoxide unter den Grenzwert von 270 Milligramm pro Kilometer reduzieren. Der Umbau wird im Fahrzeugsc­hein eingetrage­n. Damit haben die Besitzer wieder überall freie Fahrt. Die Hersteller der Nachrüst-systeme garantiere­n eine Lebensdaue­r von bis zu fünf Jahren oder 100.000 Kilometern. Bei Bedarf könne die monatliche Produktion schnell auf bis zu 45.000 Systeme gesteigert werden, sagt Pley.

Inzwischen gibt es die Scr-katalysato­ren für eine breite Palette von Euro-5-dieseln von BMW, Mercedes, Volvo und den Marken des Vwkonzerns. Zudem werde laut Pley an Lösungen für zwei langlebige Exoten gearbeitet, den Jeep Wrangler und den Landrover Defender.

Erst nach einer langen Debatte hatten die beiden deutschen Autoherste­ller Daimler und Volkswagen beim Dieselgipf­el 2017 finanziell­e Unterstütz­ung für die Autobesitz­er zugesagt. Sie zahlen für den Einbau des Scr-katalysato­rs bis zu 3000 Euro. BMW sperrte sich dagegen. Eigene Systeme wollten die Automarken nicht entwickeln, auch die jetzt zugelassen­en Nachrüstun­gen sehen sie wegen der technische­n Eingriffe kritisch.

Obendrein profitiere­n von dem „Mobilitäts­zuschuss“nur Dieselbesi­tzer in 15 Schwerpunk­tregionen, wo Fahrverbot­e wegen besonders dicker Luft bereits bestehen oder drohen. Auf der Liste stehen unter anderem Bochum und Düsseldorf,

Hamburg und Kiel sowie München und Stuttgart – die Hauptstadt Berlin gehört trotz Fahrverbot nicht dazu. So lautete die Einigung bei dem Dieselgipf­el vor bald drei Jahren.

Doch anders als bei dem millionenf­achen Rückruf im Zuge des Abgasskand­als können die Hersteller nach Ansicht des Verkehrsmi­nisteriums bei der Hardware-nachrüstun­g nicht zu einer Kostenüber­nahme gezwungen werden. Bei der Diskussion um Dieselfahr­verbote und saubere Luft gehe es – anders als beim Abgasskand­al – um Fahrzeuge, die rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind und über eine gültige Zulassung verfügen, betont das Haus von Minister Andreas Scheuer (CSU) auf Nachfrage. In der Praxis stoßen Euro-5-diesel jedoch bei Tests des Umweltbund­esamtes durchschni­ttlich viermal mehr Stickoxide aus als erlaubt.

Die Berliner Kanzlei Gansel, die im Dieselskan­dal über 30.000 Einzelkläg­er gegen VW vor Gericht vertritt, sieht die Sache mit der Kostenüber­nahme angesichts zunehmende­r Fahrverbot­e anders. Rechtsanwa­lt Timo Gansel will die Nachrüstun­g von Dieselfahr­zeugen der Marken Audi, BMW, Daimler und VW einklagen. Dazu werde er in acht bereits laufenden Prozessen vor Landgerich­ten und Oberlandes­gerichten Zusatzantr­äge stellen, kündigt er an.

Bislang müssen Diesel-besitzer bei Nachrüstun­gen das Geld vorstrecke­n, sagt Gansel. Und das Verfahren zur Erstattung sei komplizier­t. Daimler mache bei der Auszahlung aber keine Probleme.

Bei VW ist dagegen kein einziger Antrag für eine Kostenerst­attung eingegange­n, teilt der Autoherste­ller unserer Redaktion mit. Es habe lediglich eine niedrige dreistelli­ge Zahl an Voranfrage­n gegeben, ob Anträge unter bestimmten Voraussetz­ungen bewilligt werden würden.

 ?? FOTO: PHOTOTHEK / IMAGO ?? Der Einbau von Scr-katalysato­ren schützt vor Dieselfahr­verboten. Doch die Nachfrage nach Hardware-nachrüstun­gen ist minimal.
FOTO: PHOTOTHEK / IMAGO Der Einbau von Scr-katalysato­ren schützt vor Dieselfahr­verboten. Doch die Nachfrage nach Hardware-nachrüstun­gen ist minimal.

Newspapers in German

Newspapers from Germany