Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Zschäpe und die Schlacht der Gutachter
Von der Verteidigung bestellter Psychiater attestiert der Angeklagten verminderte Schuldfähigkeit
München. Ob er nicht gewusst habe, dass die polizeiliche Aussage der Mutter von Beate Zschäpe dem Verwertungsverbot unterliege? Mit einer einzigen Frage erschütterte gestern der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, ein über Stunden verlesenes Expertengutachten. Prof. Joachim Bauer war sichtlich überrascht. Er hatte davon keine Ahnung, wie er sagte.
Welchen Wert denn die Aussage von Annerose Zschäpe für seine Expertise habe, hakte der Richter nach. Er sei froh gewesen, dass es sie gab, räumte der Professor ein. Sie sei ein grundlegender Baustein seiner Einschätzung.Der im Auftrag der Verteidigung von Beate Zschäpe bestellte Psychiater bescheinigte der 42-Jährigen eine „schwere dependente Persönlichkeitsstörung“und damit verminderte Schuldfähigkeit. Die mutmaßliche Rechtsterroristin war aus seiner Sicht krankhaft abhängig von Uwe Böhnhardt und hat so dessen schlechte Eigenschaften mit übernommen, um ihn nicht zu verlieren, um ihm zu gefallen. Ursachen für dieses „Klammern“sieht der Experte in den zerrütteten Familienverhältnisse während der Kindheit Zschäpes. Ihre Mutter hatte wechselnde Beziehungen. Die Tochter sei selbst als Säugling auch von Lebensgefährten oder den Großeltern großgezogen worden.
Das habe dazu geführt, dass Zschäpe sich selbst dann nicht von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt lossagte, als diese gemordet hatten und Raubüberfälle begingen. Der emeritierte Professor führte für seine Expertise etwa 14 Stunden Gespräche mit der Angeklagten. Prof. Henning Saß, dem Gutachter des Gerichts, verweigerte sich Zschäpe dagegen. Bisher nicht bekannt waren brutale Misshandlungen Zschäpes durch Böhnhardt, vor allem während der Anfangszeit im Untergrund in den Jahren zwischen 1998 und 2001. Darüber erzählte die 42-Jährige offenbar erstmals dem Gutachter. Aber auch nach diesen Attacken sagte sie sich nicht vom Trio los.
Zschäpe versicherte dem Gutachter, von den zehn NSU-Morden, zu denen sie Beihilfe geleistet haben soll, nie vorab erfahren zu haben. Vielmehr will sie nach Bekanntwerden der Taten bei Mundlos und Böhnhardt darauf bestanden zu haben, niemanden mehr zu töten.
Mehrere Nebenklageanwälte im NSU-Prozess zeigten sich gestern nach Verhandlungsende überzeugt, dass der Wert des Gutachtens von Prof. Bauer nicht allzu hoch sei. Beispielsweise hätte er keine der Aussagen von Urlaubsbekanntschaften beachtet, die immer wieder erzählt hätten, was für eine eingespieltes Team das Trio gewesen wäre.
Auch auf den Briefwechsel Zschäpes mit einem inhaftierten Neonazi sei der Experte nicht eingegangen. Stattdessen erklärte er, dass es Zschäpe „unangenehm“sei, wenn Personen aus dem rechten Spektrum an sie herantreten würden.
Der Gerichtsgutachter, Prof Saß, hält Zschäpe für voll schuldfähig, sollte sie vom Gericht verurteilt werden.
Gerichts-Sachverständiger hält sie voll schuldfähig