Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Das Geheimnis der Köttbullar
Ikea verkauft nicht nur Möbel, sondern ist auch Groß-Gastronom. Das Angebot wird für den Möbelhändler immer wichtiger
Erfurt. Vier Rentner passieren die Eingangstür des gelb-blauen Gebäudes, ignorieren die Wegweiser zu Billy-Regalen und Gardinen und fahren mit der Rolltreppe in den ersten Stock. Kaffeebecher und Mandeltorte aufs Tablett, bezahlen, freien Tisch suchen – wie die Familie mit Lachs und Fleischbällchen auf den Tellern. Mittagszeit bei Ikea. Das Restaurant ist voll, Besucher beladen Tabletts mit typisch schwedischen Speisen oder mit solchen, deren Namen danach klingen. Doch was haben Köttbullar und Zimtschnecken mit Möbeln zu tun? Und wie rechnen sich 3,95 Euro für einen Lachs-Burger und ein Euro pro Hotdog?
Statistisch gesehen bleibt jeder zweite Besucher des Möbelhauses auch zum Essen. Hört man sich um, zeigt sich, dass es oft sogar umgekehrt ist: Viele Restaurantgäste besuchen zusätzlich auch das Einrichtungshaus, schließlich sind sie ja schon einmal da.
„Die Restaurants spielen in den Ikea-Einrichtungshäusern schon seit den 70er-Jahren eine wichtige Rolle, da sie mit dazu beitragen, dass die Kunden sich beim Einkaufen wohlfühlen“, sagt Stavroula Ekoutsidou, Managerin von Ikea Food Deutschland. Wem ein Teller Fleischbällchen für 5,95 Euro dafür nicht reicht, kann den Einkauf auch mit Sekt verschönern.
Der Gastronomiebetrieb und der Verkauf von Lebensmitteln in den Shops, zusammengefasst unter Ikea Food, werden für Ikea immer wichtiger. 2016 trugen die Restaurants 221,1 Millionen Euro zum deutschen Gesamtumsatz von 4,754 Milliarden Euro bei. Das reicht für Rang acht unter den großen Gastroketten in Deutschland. Das Ikea-Geschäft mit Lebensmitteln legte sogar um 8,3 Prozent zu – der Gesamtumsatz nur um 7,1 Prozent.
Dabei lief es nicht immer nur gut für die Ikea-Gastronomie. 2013 musste das Unternehmen zwischenzeitlich sein beliebtestes Gericht, die Köttbullar, aus dem Sortiment nehmen, nachdem in den Hackbällchen Pferdefleisch nachgewiesen worden war, das da nicht hineingehörte.
Die Möbelkunden sind offenbar auch nicht mehr einzig mit niedrigen Preisen in die Restaurants zu locken. „Seit zwei Jahren haben wir auch verstärkt Gerichte und Lebensmittel im Sortiment, die gesünder und kalorienärmer sind und auf verantwortliche Weise mit Rücksicht auf Mensch und Umwelt und unter hohen Tierschutzstandards produziert wurden“, sagt Managerin Stavroula Ekoutsidou.
Der Konzern will in den Restaurants das Gesundheitsbewusstsein der Kunden ansprechen. Schon seit einiger Zeit verkauft Ikea nur noch Fisch aus zertifiziert nachhaltigem Fang. Jetzt sind ein Kaffeesortiment mit Bio-Siegel und Milch aus biologischer Erzeugung hinzugekommen. Der Trend zur Nachhaltigkeit folgt dem im Möbelsortiment, das zum Beispiel auf sparsame LED-Lampen und zertifizierte, nachwachsende Rohstoffe ausgerichtet ist.
Die wahrscheinlich revolutionärste McDonald’s, München Burger King, Hannover Lufthansa Service, Neu-Isenburg Autobahn Tank & Rast, Bonn Nordsee, Bremerhaven
Yum! (Kentucky Fried Chicken, Pizza Hut), Düsseldorf Subway, Köln Ikea, Hofheim-Wallau Edeka-Zentrale (Backshops), Hamburg
Aral, Bochum Neuerung sind die vegetarischen Gemüsebällchen als Alternative zu Köttbullar. Das Möbelhaus verkauft mehr Fleischbällchen als jedes andere Produkt im Sortiment, wie IkeaFoods-Chef Michael la Cour im Firmenblog erklärte. * * * , , * , , *geschätzt, Quelle: Branchendienst food-service
Trotz aller Gesundheit und Nachhaltigkeit macht für viele Kunden doch eher der Preis den Reiz des Ikea-Restaurants aus. Das Frühstückscroissant mit Butter, Marmelade und kostenlos nachfüllbarem Kaffee ist wohl nur hier für einen Euro zu bekommen.
Die günstigen Preise seien wegen der großen Einkaufsmengen realisierbar, sagt DeutschlandManagerin Ekoutsidou – ein typisches Merkmal der Systemgastronomie, die auf ein übersichtliches Konzept setzt, zentral gesteuert wird und standardisierte Produkte für alle Standorte – ob Berlin, Paris oder Shanghai – anbietet. Zu Mengen und Preiskalkulationen äußert sich Ikea nicht, auch nicht dazu, wie viel Gewinn die Restaurants oder Ikea Foods machen. Bei einem Euro je Hotdog mit eingelegten Gurken, Soßen und Röstzwiebeln kann er nicht hoch sein. Doch auch hier gilt: Die Menge macht’s.
Zwar ist der Grundgedanke hinter dem Lebensmittelangebot, dass sich Kunden in den Restaurants ausruhen können, um anschließend gut gestärkt weiter Möbel einzukaufen. Das bewegte schon Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, der 1956 im ersten Möbelhaus im schwedischen Älmhult ein Restaurant eröffnete. Nicht unerheblich dürfte der andere Effekt sein: Wer von billigen Preisen ins Restaurant gezogen wird, geht auch noch schnell ins Einrichtungshaus, wo er ebenfalls günstige Möbel erwartet.
Für die Gruppe von Rentnern gilt das an diesem Tag nicht. Nach Kaffee und Mandeltorte ziehen sie ihre Mäntel an und verlassen das Restaurant – ohne Umweg in die Möbelabteilung.