Heute vor 100 Jahren
9. April 1924
Der hiesige Haus- und Grundbesitzer-Verein hielt am vergangenen Sonntag im großen Saal zur „Tanne“eine sehr zahlreich besuchte öffentliche Versammlung ab, zu der auch Vertreter benachbarter Vereine erschienen waren. Ueber die Versammlung geht uns folgender Bericht zu: Nach kurzer Begrüßungsansprache durch den Vorsitzenden, Kaufmann My Löser, erhielt der Kreistagsabgeordnete O. Lemmrich, Zella-Mehlis das Wort zu seinem Referat. Er führte ungefähr folgendes aus: Dank der Gesetzgebung der letzten Jahre ist der Mittelstand fast vollständig vernichtet. Niemand fragte danach, daß 100.000 Hausbesitzer zu grunde gerichtet wurden.
Die Wohnungsmangelverordnung wäre nicht nötig gewesen, wenn man zur rechten Zeit Einsicht gehabt hätte. Unser Bestreben ging immer dahin, dafür zu sorgen, daß das Volk Wohnung hat. Wir wollen in Frieden mit unseren Mietern leben, aber die Regierung ist es, die das Volk zusammentreibt. Es sollte den führenden Männern zu denken geben, wenn selbst ein Arbeiter die Wohnungsämter als die größten Pestbeulen am deutschen Volks bezeichnet. Leider hat die Gesetzgebung gegen und noch kein Ende. Auch die 3. Steuernotverordnung ist nichts weiter als ein glatter Diebstahl am Grundbesitz. Kriegsgewinnler und Großkapital auf der einen Seite und der Kommunismus auf der anderen Seite haben das Volk aufgesogen.
Wir fordern darum: 1. eine Bausparpflicht für junge Leute, 2. ein Pflichtwirtschaftsjahr, 3. Baupflicht von Großbanken und Schwerindustrie,
4. Baugesetzliche Verpflichtungen reicher Mieter, 5. Verweigerung der Erfüllung des Friedensvertrages, soweit er dem Volke die Mittel zum Wohnungsbau raubt, 6. Erhöhung der Mietpreise auf dei Friedenshöhe, 7. Schnellsten Abbau der Wohnungsund Mieteinigungsämter, die Ersparnisse sind zum Neubau zu verwenden. 8. Sofortiger Abbau der Wohnungszwangswirtschaft. Die einzelnen Forderungen wurden vom Redner eingehend begründet und erläutert.
Weiter kam er auf das Volksbegehren des Bundes deutscher Mietervereine zu sprechen. Diese Forderungen stellen das Höchstmaß dar, das bisher auf diesem Gebiet verzapft worden ist. Sei bedeuten eine vollständige Sozialisierung des Hausbesitzes. Zum Schluß kritisierte der Redner das Verhalten der einzelnen politischen Parteien bei der Gesetzgebung. red
Quelle: Der Deutsche. Sondershäuser Tageblatt und Generalanzeiger