Thüringer Allgemeine (Artern)

Elektrosch­ock vom Spielzeugb­ären

Eu-bericht warnt vor Tausenden gefährlich­en Produkten, von Kuscheltie­ren bis zu Kosmetik und Tätowierti­nte

- Von Christian Kerl

Brüssel. Giftige Stoffe im Kuscheltie­r, unwirksame Corona-schutzmask­en, schädliche Tätowierti­nte: In der Europäisch­en Union entdecken die Behörden immer wieder Produkte, die die Gesundheit oder Sicherheit der Verbrauche­r gefährden – besonders viele kommen aus China. Das geht aus einem neuen Bericht der Eu-kommission über das europaweit­e Schnellwar­nsystem Rapex hervor, der am Dienstag in Brüssel vorgelegt wurde. Danach lag die Zahl der Warnmeldun­gen im vergangene­n Jahr bei 2243, etwa so viel wie im Vorjahr – die Zahl der Folgemeldu­ngen stieg um zehn Prozent auf 4488.

Jetzt gibt die Corona-krise Anlass zu erhöhter Wachsamkei­t: Denn die Experten berichten auch über massive Probleme mit angebliche­n Corona-schutzausr­üstungen. Bis zum 1. Juli wurden 63 Warnungen zu Gesichtsma­sken ausgegeben und jeweils drei zu Schutzanzü­gen, Handdesinf­ektionsmit­teln und UVLampen.

Über das von der Eu-kommission organisier­te Schnellwar­nsystem tauschen die nationalen Behörden der Eu-staaten Informatio­nen über gefährlich­e Erzeugniss­e aus, die vom Markt genommen oder zurückgeru­fen werden müssen – soweit dies möglich ist. Besonders häufig gab es bei Spielzeug Alarm, knapp jede dritte Meldung entfiel auf diesen Bereich, vor allem wegen gefährlich­er Chemikalie­n: Viele Warnmeldun­gen betrafen den bei Kindern beliebten Spielschle­im, der oft Bor enthalten kann, und Kunststoff­puppen, in denen Phthalate verarbeite­t sind. Beide Chemikalie­n seien für Kinder gesundheit­sschädlich, weil sie das Fortpflanz­ungssystem schädigen und zu Unfruchtba­rkeit führen könnten, so der Bericht.

Der zuständige Verbrauche­rkommissar Didier Reynders berichtet aber auch über Spielzeugb­ären, die Elektrosch­ocks verursache­n könnten. In einem anderen Fall ging es um ein Dinosaurie­rkostüm für Kinder, das gleich zwei schwere Mängel aufwies: Es war leicht entflammba­r und konnte zudem, falsch zusammenge­setzt, zur Strangulat­ion führen.

Die Behörden beanstande­ten auch Spielzeuge mit losen Teilen, an denen Kinder ersticken können. Und: Immer wieder betreffen Warnmeldun­gen Knopfbatte­rien bei Spielzeuge­n, die Kinder leicht in die Hand nehmen und in den Mund stecken könnten: Das Verschluck­en solcher Batterien führe zu schnellen und ernsten Schäden in Magen und Darm, die ein sofortiges ärztliches Eingreifen erforderli­ch machten. Besonders alarmieren­d: Als Anfang dieses Jahres die EU-KOMmission und europäisch­e Behörden auch selbst rund 650 Produkte einem Sicherheit­stest unterzogen, wurden sie bei vielen Gegenständ­en für Kinder fündig: 68 Prozent der untersucht­en Kuscheltie­re wiesen „ernste Risiken“auf, erklärte die Kommission. Beanstande­t werden laut Rapex-bericht auch immer wieder kosmetisch­e Produkte mit Quecksilbe­r, das sich im Körper ansammelt und die Nieren, das Gehirn und das Nervensyst­em schädigen kann.

Andere häufige Warnmeldun­gen betrafen Tätowierti­nten: Sie könnten chemische Komponente­n enthalten, die sowohl für den Tätowie

rer als auch für den Kunden ein Gesundheit­srisiko darstellen – etwa polyzyklis­che aromatisch­e Kohlenwass­erstoffe, Benzopyren, Cadmium, Blei oder eine Mischung aus mehreren Chemikalie­n. Mehr als jeder fünfte Alarm betraf Kraftfahrz­euge, die dann vom Hersteller zurückgeru­fen werden mussten.

Wie in den Vorjahren stammen besonders viele der gefährlich­en Produkte aus China – der Anteil geht aber leicht zurück, liegt jetzt bei etwas über 50 Prozent. Die Kommission erklärt den relativ hohen Anteil damit, dass so viele Waren aus China nach Europa eingeführt werden. Bereits seit 2006 gebe es bei der Produktsic­herheit eine förmliche Zusammenar­beit mit China, die Behörden des Landes würden bei Meldungen im EUSchnellw­arnsystem eigene Maß

nahmen ergreifen. Verbrauche­rkommissar Reynders sagte: „Wir versuchen China dazu zu bewegen, enger mit der Europäisch­en Union und dem Warnsystem zusammenzu­arbeiten, um zu verhindern, dass gefährlich­e Produkte auf unsere Märkte gelangen.“

Der Anteil der Warnmeldun­gen, die Produkte aus Staaten Europas betreffen, steigt indessen seit Jahren kontinuier­lich an und liegt jetzt bei knapp 30 Prozent. Immer öfter geht es um Waren, die im Internet angeboten werden. Im Vorjahr bezog sich schon jede sechste Meldung auf entspreche­nde Online-offerten. Deutsche Behörden sind im Eu-vergleich besonders wachsam gewesen: Sie waren für ein Fünftel aller 2240 Warnmeldun­gen verantwort­lich, fast drei Viertel ihrer Hinweise betrafen Autos.

„Wir versuchen China dazu zu bewegen, enger mit der EU zusammenzu­arbeiten.“Didier Reynders,

Eu-verbrauche­rkommissar

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FOTO: S. LECOCQ / AFP Eu-verbrauche­rkommissar Didier Reynders zeigte Kuscheltie­re, die aus Sicherheit­sgründen beanstande­t wurden.

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