Thüringer Allgemeine (Artern)

Scheich lässt die Deutschen abblitzen

Der saudische Kronprinz blockiert eine Annäherung. Deutsche Wirtschaft fühlt sich als Opfer

- Von Michael Backfisch und und Martin Gehlen

Berlin/Riad. Er liebt den Dialog mit den Mächtigen dieser Welt: Staatenlen­ker wie US-Präsident Donald Trump, Kremlchef Wladimir Putin oder Chinas oberster Führer Xi Jinping. Der saudiarabi­sche Kronprinz Mohammed bin Salman ist erst 32 Jahre alt, doch im Öl- und Gas-Imperium am Persischen Golf gibt er bereits den Ton an. Und er hat Großes vor. Das nach der strengen islamische­n Lehre des Wahhabismu­s ausgericht­ete Königreich soll einen modernen und liberalen Anstrich bekommen.

Mohammed bin Salman sieht sich als der Schrittmac­her des Reformproz­esses – und niemanden sonst. Kritik von außen ist nicht erwünscht. Das bekam zuletzt Kanadas Außenminis­terin Chrystia Freeland zu spüren. Nach der Verhaftung von zwei Frauenrech­tlerinnen äußerte sich Freeland „tief besorgt“: Die saudischen Behörden sollten die Frauen sofort freilassen. Mohammed bin Salman zückte umgehend die diplomatis­che Keule. Der kanadische Botschafte­r wurde in der Nacht zum Montag zur unerwünsch­ten Person erklärt.

Der Krach mit Kanada ähnelt dem Streit Saudi-Arabiens mit Deutschlan­d, seit der damalige Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) den Mächtigen in Riad im November 2017 außenpolit­isches „Abenteurer­tum“vorgeworfe­n hatte. Er bezog sich auf die Konflikte mit Katar und dem Jemen. Die Saudis reagierten verschnupf­t auf die Gabriel-Äußerungen. Sie zogen ihren Botschafte­r aus Berlin ab, der Geschäftst­räger hält die Stellung.

Die deutschen Unternehme­n fühlen sich als Opfer des politische­n Klimasturz­es. „Der Export nach Saudi-Arabien ist zuletzt eingebroch­en und hat sich enttäusche­nd entwickelt“, sagt Volker Treier, Außenwirts­chaftschef des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertages (DIHT), dieser Redaktion. „Deutsche Mitbewerbe­r klagen, dass sie bei öffentlich­en Aufträgen der Saudis deutlich seltener zum Zug kommen.“Im ersten Halbjahr 2018 seien die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um fünf Prozent auf knapp über drei Milliarden Euro gesunken, so Treier. 2017 habe das Exportvolu­men 6,6 Milliarden Euro betragen – ein Minus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Als Erklärung für den rückläufig­en Trend führt Treier in erster Linie den Verfall des Ölpreises an. „Aber auch die politische­n Verstimmun­gen zwischen Riad und Berlin haben dazu beigetrage­n.“

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Kronprinz Mohammed bin Salman. Foto: Rainer Jensen

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