Viel Klärungsbedarf zu Schulgrößen
Minister Holter stellt bildungspolitischen Strategieplan zur öffentlichen Diskussion
Erfurt. Offene Fragen? Jede Menge. Karola Hirschfeld lächelt bitter. Zum Beispiel, mit wie vielen Lehrern sie die Stundenpläne für das neue Schuljahr planen soll. Sie leitet eine Gesamtschule in Sömmerda. Eine Erzieherin und eine Grundschullehrerin fangen zum neuen Schuljahr an. Doch in der Summe hat sie beim Stand der Dinge noch offene 164 Wochenstunden. Etwa sechs zusätzliche Lehrer bräuchte sie, um sie abzudecken.
Ihre Kollegin Ramona Rauchmaul, Leiterin der Grundschule in Straußfurt, beschreibt weitere Fehlstellen. Faktisch in jeder Klasse gebe es mindestens einen Schüler mit Förderbedarf, die Fachkraft aus dem Förderzentrum decke aber nur 15 Wochenstunden ab. Viel zu wenig.
Antworten auf solch konkrete Problemlagen freilich bekommen sie an diesem Tag nicht. Es geht um das Strategiepapier fürs Künftige. Auf 80 Seiten beschreibt der vor gut einer Woche vom Kabinett vorgelegte Thüringenplan, wie das Land seine Bildungspolitik künftig aufstellen, vor allem, wie das Dauerthema Unterrichtsausfall und Lehrermangel am Dienstag fand in Erfurt der Auftakt statt. Holter will Rückmeldungen, und vor allem wirbt er um Zustimmung. Jetzt habe man die Chance, notwendige Veränderungen einzuleiten, so der Minister und sprach von Aufbruchstimmung. Zustimmung? Die gibt es, wenn Bildungsminister Helmut Holter (Linke)
man sich unter den Teilnehmern umhört, vor allem für die offene Diskussion. Verständnis, dass sich angesichts der Entwicklungen einiges ändern muss, auch. Doch jetzt, wo das Papier auf dem Tisch liegt, gibt es auch viel Erregungspotenzial, Klärungsbedarf und Enttäuschungen. Karla Goerke, Grundschulleiterin in Kölleda, hatte bereits an den Werkstattforen teilgenommen, die im Herbst zur Meinungsbildung für den Plan beitragen sollten. Sie sei, erinnert sie sich, damals begeistert herausgegangen. Der viel debattierte Grundsatz einer konsequenten Doppelbesetzung in Inklusionsklassen zum Beispiel habe sie überzeugt. Doch davon, bedauert sie, findet sich im Thüringenplan nichts wieder.
Diskussionen entzünden sich erwartungsgemäß vor allem an den vorgelegten Zahlen künftiger Mindestgrößen für Schulen. Ausnahmeregelungen, Zählweisen, Kooperationsmodelle und wie sie mit Schulbezirken korrespondieren sollen – im Detail ist vieles ungeklärt.
Holter verwies auf den noch laufenden Diskussionsprozess und darauf, solche Entscheidungen mit den Schulträgern zu treffen. Auch weil der vorgelegte Plan eine Kontinuität braucht, was einen Konsens über politische Parteien und über Legislaturperioden hinweg bedarf.
Doch genau ein solcher Konsens dürfte beim jetzigen Diskussionsstand schwierig werden. Die Zusicherung, die Kommunen in die Entscheidung über die Zukunft ihrer Schulen einzubeziehen, geht für Detlef Klass vom Thüringischen Landkreistag an den Realitäten vorbei. Die Kooperationsmodelle sind aus seiner Sicht unerprobt und kein Mittel, um den Lehrermangel in den Griff zu bekommen. So manche Kommunen, die dann künftig noch mehr Schulwege zu organisieren und mehrere Schulgebäude zu unterhalten haben, werden am Ende gezwungen sein, Schulen zu schließen. Eine erhitzte, aber notwendige Debatte, die gerade erst begonnen hat. Das nächste Forum findet heute in Gera statt.
„Wir haben jetzt die Chance, notwendige Veränderungen für die Zukunft einzuleiten.“