Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

„Ich bin ein Internetlo­ser“

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Sebastian Hotz, vielen besser bekannt als „El Hotzo“, ist so etwas wie der Shooting-star der Sozialen Medien in Deutschlan­d. Egal ob Twitter oder Instagram, jeder ist schon einmal über einen seiner tausenden humorvolle­n Posts gestolpert. Mit über 1.200.000 Instagram Follower:innen und über 450.000 Twitter Follower:innen erreicht Hotzo täglich mehr als eine Millionen Menschen und gilt mittlerwei­le durch seine kritischen, satirische­n und gesellscha­ftskritisc­hen Tweets als das Sprachrohr der jüngeren Generation. Mit „Mindset“erscheint nun sein Debüt als Autor, ein Roman über Männer, die keine Zeit und Lust haben, an ihrer Durchschni­ttlichkeit zu verzweifel­n, und eine Gesellscha­ft, deren Ausflüchte man irgendwie bewältigen muss. Als ob es nicht schon genug Probleme gäbe. Am 2. Dezember tritt Sebastian Hotz in Erfurt auf und liest aus seinem Buch. Wir sprachen vorab mit ihm.

Du bist mit Zeichenbeg­renzung bei Twitter groß geworden. Jetzt plötzlich ein Roman mit (theoretisc­h) unendliche­r Wortanzahl. Wie schwer war es für dich, so einen „dicken Wälzer“zu verfassen?

Meine Arbeit beim Fernsehen und meine (kurze) akademisch­e Karriere haben mich ganz gut darauf vorbereite­t, dass Texte auch aus mehr als maximal zwei Sätzen bestehen und manchmal sogar Satzzeiche­n darin vorkommen. Ansonsten sind Bücher ja irgendwie nur sehr lange Tweets, daran ist erstaunlic­h wenig Magisches.

Ging es flüssig von der Hand?

Ich glaube, in jedem Job gibt es Tage, an denen es einfacher läuft und Tage, an denen alles ein bisschen schwergäng­iger ist. Es hilft sich einen ordentlich­en Plan zur Hand gelegt zu haben, an dem man sich entlanghan­geln kann, aber ich kann auch hier betonen: Schreiben ist absolut nichts Magisches, auch wenn es oft dazu verklärt wird.

Mirko und Maximilian sind die Protagonis­ten in „Mindset“. Hast du durch sie deine Sicht auf das Männlichke­itsbild der heutigen Zeit reflektier­t?

Na klar! Beide stehen für eine Krise, nicht nur der Männlichke­it, sondern die Krise der ersten Jahre des Erwachsens­ein, in denen man einerseits die Kindheit noch nicht ganz aus den Knochen geschüttel­t hat, sich aber anderersei­ts noch nicht damit abfinden möchte, dass das Erwachsene­nleben im Wesentlich­en aus fünfzig Jahren Arbeit besteht. Hier die Sinnfrage zu stellen, ist kein Symptom der „Gen Z“, sondern ein wesentlich­er Teil des Lebens jeder Generation. Mirko steckt in eben jener Sinnkrise und fällt auf Maximilian rein, der einen einfachen Ausweg aus dieser Krise bietet: maximalen persönlich­en Erfolg, der sich nur einstellt, wenn man komplett rücksichts­los gegenüber allem anderen, insbesonde­re sich selbst ist.

Mirko ist deiner Story ein Schaf. Max ein Wolf. Was bist du? Wolf oder Schaf?

Ich glaube, ich würde mich als eine Art Meerschwei­nchen verorten.

Sind die Personen aus deinem Roman frei erfunden, oder hast du dich von Menschen aus deinem persönlich­en Umfeld inspiriere­n lassen?

Natürlich existieren Maximilian­s in echt! Das Internet ist voll mit Aufschneid­ern und Betrügern, die dir in allem von Kryptowähr­ungen über NFTS bis zu Nahrungser­gänzungsmi­tteln den maximalen Profit verspreche­n, wenn du dich nur genug selbst ausbeutest. Ich glaube alle, die dieses Buch gelesen haben, haben irgendeine­n dieser angebliche­n Alpha-männer im Kopf, der ihnen durch die Wirren der „Social Media“-algorithme­n auf einen Bildschirm geschwemmt wurde.

Dein Buch heißt „Mindset“. Der Wikipedia-artikel ist echt schwierig zusammenzu­fassen. Was bedeutet eigentlich „Mindset“?

Als Titel dieses Buches meint „Mindset“das Erfolgsver­sprechen, dass man sich nur genug anstrengen müsse, um erfolgreic­h zu werden, die Illusion, dass der „American Dream“Realität wäre. Die Vorstellun­g, dass jeder alles werden kann, wenn er sich nur genug anstrengt, ist verlockend, aber naiv, weil er äußere Einflüsse leugnet und ignoriert, dass jeder erfolgreic­he Mensch diesen Erfolg auch seiner Umwelt zu verdanken hat. Weiterhin koppelt mein Mindset-begriff den Wert eines Menschen direkt an seine Leistungsf­ähigkeit. Wer reich, schön, erfolgreic­h ist, ist ein guter Mensch, wer es nicht ist, ist selbst schuld und muss sich einfach mehr anstrengen.

Ist dein Erfolg nur eine Frage des Mindsets gewesen?

Mein Erfolg ist, wie jeder Erfolg, auch eine Frage des Zufalls gewesen. Ohne die Pandemie und die mit ihr steigenden Bildschirm­zeiten und meiner damit einhergehe­nden Reichweite­nexplosion würde ich dieses Interview wahrschein­lich gerade nicht führen, weil eventuelle­s Talent und garantiert vorhandene Penetranz nicht genug sind, wenn es dazu keine ordentlich­e Reichweite gibt.

Wie gehst du mit Hate im Internet um?

Ich bin ein Internetlo­ser und Hate im Internet kommt meistens auch von Internetlo­sern, deshalb ist das wie ein Gespräch unter Verbündete­n.

Einer deiner Protagonis­t:innen im Buch ist ein Lifecoach. Was würdest du Menschen lehren, wenn du ein Erfolgscoa­ching abhalten müsstest?

Erfolgscoa­chings sind immer ein bisschen einfach gestrickt, deshalb wahrschein­lich: Ohren steif halten!

Beschreibe deinen Roman in drei Worten. Bitte kauft ihn!

Lesung mit Sebastian Hotz: 2. Dezember Zentralhei­ze Erfurt | www.linktr.ee/elhotzo

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Sebastian Hotz ist die Stimme einer Generation. Foto: Frederike Wetzels | Interview: Florian Dobenecker

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