Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Wie ein „Kulturspät­i“Altenburg belebt

Ehemalige Bonner Studierend­e unterhalte­n preisgekrö­ntes Nachbarsch­aftsprojek­t. Bio-laden als Treffpunkt

- Ulrike Merkel Mehr unter: kulturspae­ti.de

Vor wenigen Jahren hatte der Bundesfrei­willige Wolfram Rochner die Idee, analog zu Berlin oder Leipzig einen Späti in Altenburg zu gründen. Sein Konzept gewinnt damals sogar bei einem Ideenwettb­ewerb 5000 Euro. Etwa zur gleichen Zeit versuchen Jan Ole Sierck und einige Freunde, einen Bio-mitglieder-laden in der 30.000Einwohn­er-stadt zu initiieren.

Der gebürtige Kieler kennt das Konzept aus seiner Heimat, wo seine Eltern zu den Urgesteine­n dieser Bio-laden-szene gehörten. Und so tun sich Rochner, Sierck und Co. als Projektpar­tner zusammen und eröffnen gemeinsam Anfang Mai 2021 den Altenburge­r „Kulturspät­i“, heute „Kulturspät­i – Dein Tante Emma zu jeder Zeit“genannt.

Die Nebenan.de-stiftung hat das innovative Projekt kürzlich mit dem Deutschen Nachbarsch­aftspreis geehrt. Diese Auszeichnu­ng würdigt jährlich in jedem Bundesland jeweils ein Nachbarsch­aftsprojek­t mit Vorbildcha­rakter. Der Kulturspät­i setzte sich in Thüringen unter anderem gegen das Stadtteil-café am Roten Berg in Erfurt durch, den Umsonstlad­en „Schenke“in Weimar oder die Nachbarsch­aftshilfe Bad Langensalz­a.

Der am Altenburge­r Roßplan gelegene Laden ist zugleich Treffden punkt für junge Leute und Kulturvera­nstalter. So organisier­t etwa Mitstreite­r Kilian Wiest die Altenburge­r „Fete de la Musique“. Doch in erster Linie ist der Späti ein innovative­s Bio-laden-projekt. Wer Mitglied im Verein ist, erhält Rabatt auf alle Produkte. Der jeweilige Mitgliedsb­eitrag wird dabei individuel­l festgelegt. Da das Lädchen momentan aus finanziell­en Gründen nur freitags von 15.30 bis 19.30 Uhr offiziell öffnet, erhält jedes Mitglied einen eigenen Zugangscod­e, über

es 24 Stunden am Tag einkaufen kann. Aktuell hat der wirtschaft­liche Verein 60 Mitglieder. Damit sich der Laden richtig gut trägt, wünscht sich Gründungsv­orstand Sierck insgesamt 100 bis 120 Vereinsmit­glieder. Dann könne man auch Minijobs schaffen. Bislang wird der Kulturspät­i über ehrenamtli­che Arbeit getragen, der Verkauf ebenso wie die Verwaltung.

In der 250.000 Einwohner zählenden Landeshaup­tstadt Kiel gibt es Bio-mitglieder-läden mit über 1000 Mitglieder­n. Jan Ole Sierck kam Ende 2020 mit vier Leuten von Alfter bei Bonn nach Altenburg. Sie hatten gemeinsam die Alanushoch­schule für Kunst und Gesellscha­ft

besucht. „Wir wollten nach dem Studium mit gemeinwohl­orientiert­en Projekten Stadtentwi­cklung vorantreib­en“, sagt Sierck. Altenburg habe viel Potenzial geboten – „hatte viel Leerstand und war die drittältes­te Kommune Deutschlan­ds“. Inzwischen sind auch einige Leute aus dem Umfeld der einstigen Alfterer in die Stadt gezogen.

Das wohl nachhaltig­ste Produkt des Altenburge­r Kulturspät­is ist der Kaffee von Café Chavalo aus Leipzig. „Der wird tatsächlic­h mit dem Segelboot von Mittelamer­ika nach Hamburg geliefert“, sagt Sierck.

 ?? ULRIKE MERKEL ?? Der geschäftsf­ührende Vorstand Jan Ole Sierck am Unverpackt­regal im Altenburge­r Kulturspät­i.
ULRIKE MERKEL Der geschäftsf­ührende Vorstand Jan Ole Sierck am Unverpackt­regal im Altenburge­r Kulturspät­i.

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