Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Für Gil Ofarim wird es ernst

Verleumdun­g, Betrug, falsche Verdächtig­ung – Prozess gegen den Musiker neigt sich Ende zu

- Rebecca Baden

Es sind schwere Vorwürfe, die gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim (41) erhoben werden: Verleumdun­g, Betrug und falsche Verdächtig­ung. Das Leipziger Landgerich­t will den Prozess gegen den Sänger ab Dienstag fortsetzen. Als Zeugin soll auch Sängerin Jeanette Biedermann gehört werden.

Ofarim hatte Anfang Oktober 2021 in einem Instagram-video schwere Antisemiti­smusvorwür­fe gegen einen Angestellt­en eines Leipziger Hotels erhoben. Der Mann soll den Musiker nach Angaben Ofarims aufgeforde­rt haben, seinen Davidstern abzunehmen, erst dann dürfe er einchecken.

Nach den Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft folgte allerdings eine Anklage gegen Ofarim selbst. Das Verfahren gegen den Hotelmitar­beiter wurde eingestell­t. Biedermann war nach Angaben eines Gerichtssp­rechers am fraglichen Abend zwar nicht in dem Hotel, allerdings soll sie kurz darauf Kontakt mit Ofarim gehabt haben, hieß es. Ofarim hatte in einem Video auf Instagram behauptet, ein Hotelanges­tellter habe ihn nicht einchecken lassen. Nur, wenn er den Stern wegpacke, dürfe Ofarim einchecken – so seine Version der Geschehnis­se. “Haben wir denn nichts aus der Vergangenh­eit gelernt?”, fragt Ofarim unter dem Video.

Der Clip ging viral und trat eine Antisemiti­smus-debatte in Deutschlan­d los. Mehrere Politiker und Politikeri­nnen ergriffen Partei für Ofarim und solidarisi­erten sich. Doch dann kamen Zweifel an Ofarims Version auf: Auf Bildern der Überwachun­gskamera ist die Kette nicht zu sehen, die beiden zunächst beurlaubte­n Mitarbeite­nden dürfen wiederkomm­en, das Hotel befragt Zeuginnen und Gäste. Schließlic­h erstattete der beschuldig­te Mitarbeite­r Anzeige wegen Verleumdun­g gegen Ofarim und ist heute Nebenkläge­r im Prozess.

Viele zogen danach ihre Solidaritä­tsbekundun­gen an Ofarim inzwischen zurück, zeigten sich enttäuscht von der mutmaßlich­en Lüge. Felix Klein, der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, hatte vor dem Prozess zu mehr Vorsicht bei Beiträgen aus sozialen Netzwerken appelliert: „Das hilft dabei, Beteiligte wie Unbeteilig­te vor Hass und Hetze zu bewahren.“

Gil Ofarim, in München geboren, war als Sohn des israelisch­en Musikers

Abi Ofarim und seiner dritten Frau Sandra die Musik in die Wiege gelegt. Immer wieder entert er die Bühne seines berühmten Vaters, spielt Schlagzeug, bringt sich das Gitarrespi­elen bei, wird zum „Kinderzimm­errockstar“, wie er in seinem Buch „Freiheit in mir“erzählt. Trotzdem habe er sich oft alleine gefühlt, habe nach Bestätigun­g gesucht und unter der Scheidung der Eltern gelitten.

Bei „Let’s Dance“wurde Ofarim zum Publikumsl­iebling

Dass er, wie er sagt, ein besonders „leidensfäh­iges“Kind gewesen sei und sich nie beklagt habe, sei eine hilfreiche Schule gewesen – auch für seinen Erfolg: 1997 wurde Ofarim als 15-Jähriger mit „Round ‘n’ Round“quasi über Nacht berühmt. „Mit 17 Jahren hatte ich alles, was ich mir je gewünscht hatte“, so Ofarim in seiner Biografie. „Aber: Ich war trotzdem der einsamste Junge der Welt“, schreibt er.

Später zog es ihn ins Fernsehen: Als Ofarim 2012 an der zweiten Staffel von „The Voice of Germany“teilnimmt und es unter Coach Xavier Naidoo ins Viertelfin­ale schafft, dürften die Poster von ihm von den Kinderzimm­erwänden verschwund­en sein. Dann bleibt es lange ruhig um den einstigen Teenierock­star.

Das Comeback aber wurde furios: In seinen Dreißigern besuchte Ofarim zahlreiche Fernsehsho­ws – von „Schlag den Star“über „Grill den Henssler“bis hin zu „The Masked Singer“. Bei „Let‘s Dance“wurde er 2017 zum Publikumsl­iebling und gewann mit seiner Tanzpartne­rin Ekaterina Leonova sogar den Pokal.

Auch privat macht Ofarim Höhen wie Tiefen durch: Hochzeit mit Verena Brock im Jahr 2014, die Geburten ihres Sohnes und ihrer Tochter, Scheidung im Jahr 2018. Dann die Gerüchte über eine Affäre mit Leonova bei „Let‘s Dance“. Im Mai desselben Jahres stirbt Vater Abi Ofarim.

Die Schicksals­schläge habe er unter anderem mit Yoga verarbeite­t, schreibt Ofarim. In Interviews spricht er gern über die Kraft der indischen Lehre: „Die Haltung, anderen um jeden Preis gefallen zu wollen, habe ich schon vor Jahren abgelegt“, erklärt er dort. Vor Gericht allerdings werden ihm die Yogaübunge­n nicht viel helfen. Das Urteil wird Anfang Dezember erwartet.

 ?? IMAGO/ARCHEOPIX / CHRISTIAN GRUBE ?? Gil Ofarim muss sich vor dem Leipziger Landgerich­t unter anderem wegen Verleumdun­g verantwort­en.
IMAGO/ARCHEOPIX / CHRISTIAN GRUBE Gil Ofarim muss sich vor dem Leipziger Landgerich­t unter anderem wegen Verleumdun­g verantwort­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany