Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Pilotproje­kt mit Hilfszentr­um

Erfahrungs­austausch in Vietnam: Chemieeins­atz im Krieg wirkt bis heute nach

- Fabian Klaus

Da Nang/arnstadt. Petra Hegt steht mit Tränen in den Augen vor der Tür – und sie schämt sich ihrer Emotionen nicht. Was die kaufmännis­che Vorständin des Marienstif­tes Arnstadt gerade erlebt hat, rührt sie vor allem, weil sie ihr ganzes Berufslebe­n mit Menschen mit Behinderun­g gearbeitet hat.

Auf ihre Initiative hin besucht die von Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) angeführte Wirtschaft­sdelegatio­n, die an diesem Freitag ihre Reise beendet, das Da Nang Hilfszentr­um für Agentorang­e-opfer.

Immer noch 5000 Opfer von „Agent Orange“

Das von den Amerikaner­n im Vietnam-krieg eingesetzt­e Entlaubung­smittel entfaltet bis heute seine schrecklic­he Wirkung auf die Bevölkerun­g des Landes. Die Folge: Kinder werden zum Teil immer noch mit schweren Fehlbildun­gen oder Behinderun­gen geboren. Verantwort­lich sind dafür die Dioxine des eingesetzt­en Giftes.

Das Hilfszentr­um in Da Nang kümmert sich um diese Opfer. In zwei Niederlass­ungen werden 110 Kinder betreut. 18 Mitarbeite­nde hat die Einrichtun­g, erfahren die Delegation­steilnehme­r bei ihrem Besuch. Allerdings: Längst nicht alle, die unter den Folgen des Gifteinsat­zes leiden, können betreut werden. Insgesamt, so berichtet es der Leiter des Hilfszentr­ums, gebe es immer noch 5000 Opfer.

Petra Hegt kommt vor einigen Jahren bei einer anderen Vietnamrei­se das erste Mal mit dem Hilfszentr­um in Berührung und initiiert

den Besuch der Thüringer Vertreter, die sich bis dato bei ihren Reisen vor allem um wirtschaft­liche Beziehunge­n und Fachkräfte gekümmert haben.

Auch im Hilfszentr­um geht es um Beziehunge­n. „Wir können voneinande­r profitiere­n“, sagt Hegt dieser Zeitung. Was sie meint? Jetzt wird die Erarbeitun­g der Konzeption für ein Projekt beginnen, in dem Marienstif­t und Hilfszentr­um miteinande­r arbeiten können.

Vietnamesi­sche Kräfte sollen zum Beispiel sehen können, wie in Deutschlan­d mit Menschen mit Behinderun­g gearbeitet wird. Es gehe,

sagt Hegt, um den Austausch von Erfahrunge­n und Kenntnisse­n. Wann das konkret wird, darauf lässt sie sich aber nicht festlegen: „Hier geht Qualität vor Schnelligk­eit.“

Ministerin unterstütz­t Bemühungen um Zusammenar­beit

Ministerin Heike Werner (Linke), die neben Arbeit auch für Soziales verantwort­lich zeichnet, unterstütz­t die Bemühungen um eine Zusammenar­beit.

„Wir erleben auch in unserer Gesellscha­ft, dass Erfahrunge­n mit Menschen mit Behinderun­g nicht immer einfach sind“, sagt sie und erhofft

sich Antworten darauf, wie in Vietnam mit Menschen mit Behinderun­g umgegangen wird – um diesen Erfahrungs­austausch soll es künftig gehen.

Beim Treffen am Donnerstag geht es aber zunächst ums Kennenlern­en; der Einrichtun­g und der Menschen, die dort betreut werden.

Die empfangen die Delegation mit einer musikalisc­hen Darbietung und einer Fröhlichke­it, wie sie den Vietnamese­n, auch jenen, die bis heute Opfer des amerikanis­chen Chemieeins­atzes im Vietnamkri­eg sind, sehr offensicht­lich gegeben ist.

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FABIAN KLAUS Petra Hegt (Vierte von links) und Heike Werner (Linke, Dritte von links) schauen den Bewohnerin­nen des Hilfszentr­ums bei ihren Arbeiten über die Schulter.

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