Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Der vergessliche Kanzler
Olaf Scholz wird die Cum-ex-affäre einfach nicht los
Über Angela Merkel hieß es, sie sei eine Kanzlerin der Krisen gewesen. Olaf Scholz ist in kurzer Zeit in ganz andere Krisendimensionen vorgedrungen: Krieg in Europa und Kriegsgefahr in Taiwan, brutal steigende Inflation und eine historische Energiekrise für private Haushalte und die Industrie. Dazu kommt jetzt eine persönliche Glaubwürdigkeitskrise, die ihn aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister eingeholt hat.
Es geht dabei um die Frage, ob Scholz in irgendeiner Form dabei half, dass die Stadt Hamburg der noblen Privatbank Warburg zwischenzeitlich 47 Millionen Euro Steuern erließ. Dass Scholz damit befasst war, steht fest. Es liegen so viele Gesprächsnotizen, Kalendereinträge und Aussagen vor, dass klar ist: Der heutige Kanzler hatte mit dem Vorgang zu tun. Allerdings sind zwei Fragen nicht beantwortet: Wie intensiv hat sich Scholz damit befasst? Hat er seine Gesprächspartner abblitzen lassen oder war sein Verhalten strafrechtlich relevant?
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat auf Letzteres bislang keinen Hinweis, ermittelt aber im Fall weiter. Die Staatsanwaltschaft Köln durchforstete sogar die Emails des Bürgermeisters Scholz.
Das Problem von Scholz ist: Er wird diese Steueraffäre einfach nicht los. Seine Verteidigungslinie, er habe keine Erinnerung an drei Gespräche mit dem Inhaber der Warburg-bank, ist juristisch vielleicht effektiv, aber wenig plausibel. Natürlich gilt auch für den Kanzler die Unschuldsvermutung. Aber Scholz müsste mehr dazu beitragen, Klarheit zu schaffen.
Seine Hoffnung, dass die Opposition einfach aufgibt und die Medien keine anstrengenden Fragen mehr stellen, wird sich nicht erfüllen.