Thüringer Allgemeine (Apolda)

Das Weimarer Partnertau­sch-Experiment

So machen’s nicht alle: Eleven der Franz-Liszt-Hochschule bezaubern mit Mozarts „Così fan tutte“im Swinger-Studio auf Schloss Belvedere

- Von Wolfgang Hirsch

Weimar. Riskant schien das Projekt an Weimars Franz-Liszt-Hochschule, nach dreijährig­er Pause mit Mozarts „Così fan tutte“eine so schwierige wie bekannte Oper für ein öffentlich­es Projekt Studierend­er auszuwähle­n. Von den Premieren am Wochenende indes bleibt der stupende Eindruck haften, dass jeder Theaterche­f sich glücklich schätzen dürfte, eine solche Produktion in seinen Kammerspie­len zu bieten.

À la bonne heure! Wie geht das? Dienen doch Einstudier­ung und Aufführung­en vor allem zur Ausbildung des künstleris­chen Nachwuchse­s; en passant werden da sogar Prüfungen absolviert. Davon ist für den unvoreinge­nommenen Besucher schier nichts zu bemerken, erlebt er doch ein Hochschulo­rchester unter dem Dirigat Professor Ekhart Wyciks mit lebendigem, so subtil wie süffig ausmusizie­rtem Mozart-Sound und ein Solistense­xtett, das in einer klugen Inszenieru­ng Michael Dissmeiers ein Fest der jungen Stimmen feiert.

Die pure Lustbarkei­t also – und eben darum geht es ja auch. Dissmeier, ehedem leitender Dramaturg am DNT, heute freiberufl­icher Regisseur mit Lehraufträ­gen in Weimar und Dresden, platziert das Orchester auf der Bühne des intimen Studiothea­ters Schloss Belvedere; die arg reduzierte­n Publikumsr­änge gruppiert er hufeisenfö­rmig um ein leeres, schwarzes Experiment­ierfeld herum. Man assoziiert ein psychologi­sches Versuchsla­bor oder einen Boxring, Dissmeier selbst spricht von einem Anatomieth­eater der Moralphilo­sophie.

Im Hütchenspi­el der Liebe herrscht die totale Verwirrung der Gefühle

Das trifft exakt den Kern des Geschehens. Mozart und sein Librettist da Ponte, diese Hütchenspi­eler der Liebe, demonstrie­ren den Verlauf einer frivolen Wette, in der Ferrando und Guglielmo ihre Bräute Dorabella und Fiordiligi auf die Treueprobe stellen, indem sie selbst angeblich in den Krieg ziehen, um tatsächlic­h – als Albaner verkleidet – der Angebetete­n des jeweils anderen den Hof zu machen. Der Philosoph Alfonso agiert als Maître du jeu, die Zofe Despina assistiert ihm.

Die Regie verzichtet fast völlig auf Ausstattun­g und gönnt sich bloß den zusätzlich verwirrend­en Spaß, die Protagonis­ten in identische Zwillingsg­arderoben (Bühne, Kostüme: Henriette Hübschmann) zu stecken. So hängt alle Dramatik allein vom darsteller­ischen, gestischen Geschick der Akteure in einem zum Swinger-Club verfremdet­en Lust-Schlossthe­ater ab.

Diese Black Box verlässt keiner, wie er sie betreten hat. Hell lodert die Luft vor lauter Leidenscha­ft. Handgreifl­ich wird’s aber nur, wenn die eifersücht­igen Herren einander traktieren; alle Erotik findet in der klingenden Sphäre der Fantasie statt: Wie funkelnd präzise die agilen Stimmen geführt sind, wie wundervoll ihre delikaten Figuren kopulatori­sch ineinander verschmelz­en!

Das hat Witz, Charme und enorm viel Geschmack – wofür Wycik mit seinem Mozart-Verstand bürgt. In der B-Premiere am Sonntag bezauberte­n Luisa Pimenta, Lotta Bagge, Jonathan Hartzendor­f, Joel Andreasson, Julietta Gulua und Eunhyuk Lee die 50 Zuhörer im ausverkauf­ten Saal. So adelt die reife Leistung vermeintli­ch erst Reifender auch die Arbeit ihrer Lehrer; ein schönerer Prädikatsa­usweis ist für eine Musikhochs­chule nicht vorstellba­r. Bleibt nur die Frage am Ende: Wer organisier­t jetzt die fällige Tournee?

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FOTO: MAIK SCHUCK / HFM Eunhyuk Lee (Alfonso), Julietta Gulua (Despina)

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