Das Weimarer Partnertausch-Experiment
So machen’s nicht alle: Eleven der Franz-Liszt-Hochschule bezaubern mit Mozarts „Così fan tutte“im Swinger-Studio auf Schloss Belvedere
Weimar. Riskant schien das Projekt an Weimars Franz-Liszt-Hochschule, nach dreijähriger Pause mit Mozarts „Così fan tutte“eine so schwierige wie bekannte Oper für ein öffentliches Projekt Studierender auszuwählen. Von den Premieren am Wochenende indes bleibt der stupende Eindruck haften, dass jeder Theaterchef sich glücklich schätzen dürfte, eine solche Produktion in seinen Kammerspielen zu bieten.
À la bonne heure! Wie geht das? Dienen doch Einstudierung und Aufführungen vor allem zur Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses; en passant werden da sogar Prüfungen absolviert. Davon ist für den unvoreingenommenen Besucher schier nichts zu bemerken, erlebt er doch ein Hochschulorchester unter dem Dirigat Professor Ekhart Wyciks mit lebendigem, so subtil wie süffig ausmusiziertem Mozart-Sound und ein Solistensextett, das in einer klugen Inszenierung Michael Dissmeiers ein Fest der jungen Stimmen feiert.
Die pure Lustbarkeit also – und eben darum geht es ja auch. Dissmeier, ehedem leitender Dramaturg am DNT, heute freiberuflicher Regisseur mit Lehraufträgen in Weimar und Dresden, platziert das Orchester auf der Bühne des intimen Studiotheaters Schloss Belvedere; die arg reduzierten Publikumsränge gruppiert er hufeisenförmig um ein leeres, schwarzes Experimentierfeld herum. Man assoziiert ein psychologisches Versuchslabor oder einen Boxring, Dissmeier selbst spricht von einem Anatomietheater der Moralphilosophie.
Im Hütchenspiel der Liebe herrscht die totale Verwirrung der Gefühle
Das trifft exakt den Kern des Geschehens. Mozart und sein Librettist da Ponte, diese Hütchenspieler der Liebe, demonstrieren den Verlauf einer frivolen Wette, in der Ferrando und Guglielmo ihre Bräute Dorabella und Fiordiligi auf die Treueprobe stellen, indem sie selbst angeblich in den Krieg ziehen, um tatsächlich – als Albaner verkleidet – der Angebeteten des jeweils anderen den Hof zu machen. Der Philosoph Alfonso agiert als Maître du jeu, die Zofe Despina assistiert ihm.
Die Regie verzichtet fast völlig auf Ausstattung und gönnt sich bloß den zusätzlich verwirrenden Spaß, die Protagonisten in identische Zwillingsgarderoben (Bühne, Kostüme: Henriette Hübschmann) zu stecken. So hängt alle Dramatik allein vom darstellerischen, gestischen Geschick der Akteure in einem zum Swinger-Club verfremdeten Lust-Schlosstheater ab.
Diese Black Box verlässt keiner, wie er sie betreten hat. Hell lodert die Luft vor lauter Leidenschaft. Handgreiflich wird’s aber nur, wenn die eifersüchtigen Herren einander traktieren; alle Erotik findet in der klingenden Sphäre der Fantasie statt: Wie funkelnd präzise die agilen Stimmen geführt sind, wie wundervoll ihre delikaten Figuren kopulatorisch ineinander verschmelzen!
Das hat Witz, Charme und enorm viel Geschmack – wofür Wycik mit seinem Mozart-Verstand bürgt. In der B-Premiere am Sonntag bezauberten Luisa Pimenta, Lotta Bagge, Jonathan Hartzendorf, Joel Andreasson, Julietta Gulua und Eunhyuk Lee die 50 Zuhörer im ausverkauften Saal. So adelt die reife Leistung vermeintlich erst Reifender auch die Arbeit ihrer Lehrer; ein schönerer Prädikatsausweis ist für eine Musikhochschule nicht vorstellbar. Bleibt nur die Frage am Ende: Wer organisiert jetzt die fällige Tournee?