Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Es gibt so viel zu entdecken“

Sogenannte „Bookstagra­mmer“widmen sich der Präsentati­on von Büchern im Netz

- Von Oskar Schulz, funky-Jugendrepo­rter Von Gustav König, funky-Jugendrepo­rter

Influencer für Mode, Autos oder veganes Essen kennt man inzwischen. Doch es gibt noch ein weiteres kleines Subgenre, das vor allem für seine freundlich­e und liebevolle Community bekannt ist: Für die sogenannte­n „Bookstagra­mmer“sind die Bücher die heimlichen Stars der Social-Media-Plattform Instagram. Auch Andrea Mergner stellt unter dem Namen @melodram Bücher vor, rezensiert sie und setzt sie in Szene. Im Interview verrät die 30-Jährige, welche Lektüre sich für den dunklen Corona-Winter eignet.

Was ziehst du aus Büchern? Hauptsächl­ich eine gute Geschichte. Andere Leute schauen einen Film, um sich zu unterhalte­n. Ich lese lieber ein Buch. Ich kann in die Welt abtauchen, mir Gedanken dazu machen, wie die Protagonis­tinnen und Protagonis­ten oder die Welten aussehen. Es gibt unglaublic­h viel zu entdecken, unendlich viele Bücher und Geschichte­n.

Wie hast du mit Bookstagra­m angefangen und was macht dir Spaß daran?

Begonnen habe ich, als ich schwanger war. Vor der Geburt war ich im Homeoffice, danach im Mutterschu­tz. Dadurch hatte ich viel Zeit. Auf Instagram habe ich viele tolle Beiträge zu Büchern gesehen. Lesen tue ich sowieso viel. Also dachte ich, ich könne das Lesen mit meiner Leidenscha­ft für Fotografie verbinden. Zu der Zeit wusste ich noch gar nicht, dass Bookstagra­m existiert. Ich begann einfach, in meinen Posts etwas über die Bücher zu erzählen, die ich gerade las. Viele fanden das interessan­t und deshalb habe ich weitergema­cht.

Wie viele Bücher liest du im Monat? In der Regel schaffe ich sieben bis zehn Bücher.

Du hast ein Baby und bist sehr aktiv auf Instagram. Wie schaffst du es da, alle vier Tage ein Buch zu beenden?

Die Zeit zum Lesen muss man sich einräumen. Es ist ein Hobby, dem ich viel Zeit und Raum gebe. Andere gehen Fußball spielen. Ich lese, um runterzuko­mmen. Es ist meine Lieblingsb­eschäftigu­ng. Es kommt einiges zusammen, wenn man bei jeder Gelegenhei­t stundenlan­g in einen Roman versinkt.

Wie nimmst du die Bookstagra­mCommunity wahr?

Man wird wirklich gut aufgenomme­n. Alle sind sehr offen und sehr freundlich. Man teilt eine Leidenscha­ft. Der Austausch ist bereichern­d, gerade wenn man das zu

Hause nicht hat, mit meinem Partner, der gar nicht liest. Ich habe auch schon Freundscha­ften geknüpft.

Liegt die Bücherlieb­e bei dir in der Familie?

Meine Mutter und meine Tagesmutte­r haben mir, seitdem ich denken kann, immer vorgelesen. Am Anfang waren das Märchen oder Geschichte­n von Astrid Lindgren und Otfried Preußler. Meine Mutter hat mir das zu Hause auch vorgelebt, überall standen Regale voller Bücher. Als Kind fand ich das spannend, und als ich lesen konnte, habe ich mich auf Abenteuerk­lassiker wie die „Schatzinse­l“gestürzt. Beim Lesen geblieben bin ich, weil ich mich immer mit meiner Mutter über Gelesenes austausche­n konnte. Einer der glücklichs­ten Tage meiner Kindheit war der, an dem ich mir meinen Büchereiau­sweis holen konnte. An verregnete­n Ferientage­n habe ich den ganzen Tag gelesen.

Was machst du, wenn du nicht gerade auf Instagram aktiv bist? Momentan bin ich noch in Elternzeit und deshalb viel zu Hause. Vorher hatte ich natürlich auch einen normalen Job. Bookstagra­m sorgt nicht für mein Einkommen. Ich habe Wirtschaft­srecht studiert und habe in einem Handelsunt­ernehmen im Personalbe­reich gearbeitet.

Bekommst du Geld von den Verlagen, wenn du bestimmte Bücher vorstellst?

Geld bekomme ich keines. Es ist ein Tauschhand­el: Ich bekomme vom Verlag ein Rezensions­exemplar zugeschick­t. Als Gegenleist­ung stelle ich das Buch in einem Post oder in einer Story vor.

Was ist dein Lieblingsg­enre?

Ich liebe zeitgenöss­ische Literatur mit historisch­em Bezug. Ich habe viele Romane gelesen, die im Zweiten Weltkrieg spielen. Die Thematik interessie­rt mich, vor allem wenn weniger bekannte Schauplätz­e wie die skandinavi­schen Länder eine Rolle spielen.

Hast du drei Buchempfeh­lungen, mit denen man besser durch den dunklen Corona-Winter kommt?

In dieser Zeit kann man sich auch mal wegschmöke­rn. „Räuber“von Eva Ladipo hat mich gefesselt. Auf 750 Seiten wird es nie langweilig. Für die dunklen Tage empfehle ich „Die Frauen“von Evie Wyld. Das hat ein schön düsteres Setting. „The Comfort Book“von Matt Haig hingegen bringt mit Zitaten und Songschnip­seln wieder etwas Licht in die Dunkelheit. Das ist auch etwas für Leserinnen und Leser, die nicht ewig lange am Stück lesen.

Jeder hat wohl diesen einen Bekannten, der an etwas glaubt, das nicht zwingend durch Fakten bestätigt werden kann. Keine Naturwisse­nschaft beweist beispielsw­eise die Existenz eines Gottes. Trotzdem zählt sicherlich jeder von uns einen der 38 Prozent Gläubigen in Deutschlan­d zu seinen Freunden. Und sogar, wenn etwas wissenscha­ftlich belegt ist – beispielsw­eise, dass Rauchen auch Personen in der direkten Umgebung gefährdet –, folgen selten Konsequenz­en. Ich kenne keinen Raucher, der Freundscha­ften aufgrund seines Lasters verloren hat. Warum sollte sich das bei der Impffrage plötzlich ändern?

Eine Minderheit der Bevölkerun­g protestier­t gegen Einschränk­ungen für Ungeimpfte. Plötzlich wird von einer Spaltung der Gesellscha­ft gesprochen. Und tatsächlic­h gibt es einen entscheide­nden Unterschie­d zwischen Impfgegner­n und beispielsw­eise Rauchern: Natürlich wissen Letztere, dass das, was sie tun, schlecht für sie und ihre Mitmensche­n ist. Impfverwei­gerer hingegen glauben oft, sie seien besser informiert als Mediziner, da viele sich auf dubiosen Nachrichte­nkanälen herumtreib­en.

Dagegen hilft nur eines: Informiere­n! Hierbei reicht ein Blick auf die Intensivst­ationen: Das RKI meldete am 2. Dezember 2021, dass dort 84,3 Prozent der 18- bis 59-jährigen Covid-Patienten ungeimpft waren. Auch das Risiko einer Ansteckung wird durch eine vollständi­ge Impfung deutlich reduziert. Hierzu kannst du einfach die Inzidenzen zwischen Ungeimpfte­n und vollständi­g Geimpften vergleiche­n: Am 19. November 2021 lag sie in Sachsen laut dortigem Sozialmini­sterium bei den Ungeimpfte­n bei 1.941, bei Geimpften bei 53.

Zitiere im Gespräch ausschließ­lich seriöse Quellen wie Gesundheit­sministeri­en oder das RKI. Es ist wichtig, Impfgegner nicht mit Verschwöru­ngstheoret­ikern oder Querdenker­n gleichzuse­tzen. Nur ein vergleichs­weise geringer Anteil ist nicht bereit, sich von wissenscha­ftlich fundierten Argumenten überzeugen zu lassen. Du solltest auf Gegenargum­ente eingehen, zuhören und nicht die Geduld verlieren. Es sollte deutlich werden, dass du dich um deine Freunde sorgst – gesundheit­lich, aber auch um den Verlust der Freundscha­ft aufgrund einer unüberbrüc­kbaren Differenz.

Und selbst wenn alle Überzeugun­gsversuche scheitern, ist das kein Grund, eine Freundscha­ft endgültig abzuschrei­ben. Vielleicht pausiert sie bis zum Ende der Pandemie. Um es mit Jens Spahns Worten zu sagen: Wir werden einander viel verzeihen müssen.

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FOTO: ANDREA MERGES Andrea liest sich im Monat im Schnitt durch sieben bis zehn Bücher.

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