Turbulente Nazi-Komödie „Sein oder Nichtsein“in Weimars Redoute
Für die Ausweichspielstätte inszeniert Jan Neumann nach dem „Sommernachtstraum“nun ein Stück nach Ernst Lubitschs Film von 1942
Weimar. Das war und ist ein Kraftakt zum Saisonende – und eine Ausnahmesituation sowieso. Mit Shakespeares „Sommernachtstraum“eröffneten DNTHausregisseur Jan Neumann und sein Ensembles am 16. April die soeben in Windeseile sanierte Interimsspielstätte Redoute neu. Zwei Tage später traf man sich auf der Probebühne wieder, um sich an die zweite Schauspielproduktion zu wagen: „Sein oder Nichtsein“, ein sehr boulevardeskes Stück, in dem der britische Dramatiker und Drehbuchautor Nick Whitby 2008 für den Broadway Ernst Lubitschs Film von 1942 adaptierte, der heute ein Klassiker der Filmgeschichte ist.
Für das Ensemble bedeutet dieser Doppelschlag insgesamt 15 Wochen intensive Arbeit am Stück. Jan Neumann berichtet von einer durchweg sehr guten Stimmung. Allerdings ist die Probensituation jetzt: „Besser!“
So spontan und lakonisch fasst der Regisseur den kleinen Unterschied zusammen. Denn der Weg zum „Sommernachtstraum“führte über eine Baustelle. Die Redoute, bis dato Probebühne des Nationaltheaters sowie in erbärmlichem Zustand, galt es flott zu machen auf allen Ebenen, weil das Stammhaus sodann ebenfalls zur Baustelle werden würde; hier wird der Orchestergraben saniert.
Als „das Merkwürdigste, das wir je hatten“beschreibt Jan Neumann diese Zeit, mit überhaupt nur neun Probeneinheiten auf der großen Bühne. „Bei den ersten beiden gab es noch keine Saaltüren, parallel wurde draußen gebaut.“Das Ensemble stand in dichten Staubwolken.
Entstanden ist derweil aber „eine unglaublich tolle Arbeitsatmosphäre zwischen den Gewerken“, sagt Neumann. Und im Übrigen sei es ja schon „eine ziemliche Meisterleistung“, das ein Intendant es im Verbund mit der Politik schaffte, einen Millio- nenbetrag an Land zu ziehen und eigentlich eine komplette Spielstätte zu ertüchtigen. Wenn diese im Herbst wieder zur Probebühne wird, biete sie unglaublich gute Bedingungen.
In der Zwischenzeit setzt das Schauspiel auf komödiantische Stoffe, die die Leute motivieren, den Weg in die Redoute zu finden: auf zwei große Ensemblestücke, die beide auch vom Theater handeln. Neumann interessiert, „was wir eigentlich in dieser Zeit des permanenten Medienüberflusses vom Theater wollen.“Der „Sommernachtstraum“antwortet demnach auf die große Sehnsucht nach Fantasiewelten.
„Sein oder Nichtsein“beschäftigt sich mit der Realität, in der Ernst Lubitsch einst seinen Film radikal verortete.
Die Geschichte spielt 1939 in Warschau, kurz vor Ausbruch des kurz bevor der Zweiten Weltkrieg. Erzählt wird von einer polnischen Schauspieltruppe, die eine Hitler-Satire probt, die verboten wird. Man schwenkt auf „Hamlet“um.
Als Joseph Tura in der Titelrolle zum berühmten Monolog anhebt, verlässt Fliegerleutnant Sobinski den Saal, für ein Rendezvous mit Turas Gattin in der Garderobe. Sobinski geht nach Kriegsausbruch in den polnischen Untergrund. Um diesen und sich zu retten, knüpft die Schauspieltruppe an die Satire an, schlüpft in Nazirollen und spielt Theater in der Realität. Ein turbulentes und gefährliches Verwechslungsspiel beginnt.
Erfurts abgewickeltes Schauspiel verabschiedete sich 2003 mit der Geschichte vom Publikum in der politischeren Fassung „Noch ist Polen nicht verloren“von Jürgen Hofmann. Nick Whitby hat dieses Stück von den Spielplänen verdrängt.
Whitbys Fassung sorgt laut Neumann für sehr viel Spaß: „nur nicht beim Proben“. Denn sie verlangt ständig eine Entscheidung, wie stark man den angelegten Slapstick durchsetzt.
Zugleich stehen, wie bei Ernst Lubitsch auch, komödiantische neben todernsten Szenen.
Die Komödie habe „eine gewisse politische Aktualität“, die man nicht platt bedienen wolle, doch könne man eine Wiederkehr der Geschichte in anderer Form darin lesen. „Wenn man heute das AfD-Programm gegen das NSDAP-Programm von 1920 legt, dann schlackert man mit den Ohren“, sagt Jan Neumann. Einzelne Passagen ähneln sich demnach zum Verwechseln.
Die Inszenierung will zwar den Zeitkontext betonen, aber nicht Komödie in Naziuniform spielen. Die Kostüme folgen deren originalen Schnitten, kommen aber stilisiert daher: extrem weiß und ausgebleicht.
„Sein oder Nichtsein“sei ein Stück, sagt Jan Neumann, das mit dem Ort zu tun hat: Die Redoute liegt an der Ausfallstraße Richtung Buchenwald. Zudem ist das russische Offizierskasino, als das sie 1974 errichtet wurde, gleichsam eine späte Folge des Weltkrieges gewesen.
„Wenn man das AfD-Programm gegen das NSDAP-Programm von 1920 legt, schlackert man mit den Ohren.“