Altes Hugenottenhaus wird zum neuen Dorftreffpunkt
Ein Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert steht als Zeugnis der Geschichte von Verfolgung und Asyl im uckermärkischen Hammelspring. Ein Verein kümmert sich um die Rettung des einstigen Hugenottenhauses.
HAMMELSPRING – Mit seinen grünen Fensterläden, den rostbraun gestrichenen Balken und dem weißen Gefache macht das alte Fachwerkhaus in Hammelspring (Uckermark) einen einladenden Eindruck. Dass das Gebäude mit dem markanten Satteldach schon seit mehr als zehn Jahren saniert wird und immer noch eine große Baustelle ist, bemerkt der Besucher erst, wenn er hineingeht. Der Lehmputz ist von den Wänden gebröselt, die ursprüngliche Farbe kaum noch zu erkennen. Das Fachwerk liegt frei, ist teilweise wurmstichig, der gestampfte Lehmboden aufgewühlt. Ins Dachgeschoss mit den maroden Dielenböden geht es nicht – die Stiege fehlt.
„Alle im Dorf dachten, das Haus fällt zusammen, viele hofften es wohl auch“, sagt Thorsten Behning. Seine Schwiegereltern leben seit mehr als 40 Jahren auf demselben Grundstück des einst von Hugenotten gebauten und bewohnten Anwesens. Sie kümmerten sich um die notdürftige Behebung von Schäden, damit der geschichtsträchtige Bau von 1762 „nicht gänzlich verkommt“, wie der selbst in Frankfurt am Main lebende Behning beschreibt. Für eine grundlegende Sanierung aber fehlte das Geld. Vor mehr als zwölf Jahren traf er bei seinen Besuchen in Hammelspring auf Martina Reichelt. Die Bauingenieurin aus Teltow studierte 2003 zusätzlich Denkmalpflege, suchte für ihre Masterarbeit ein geeignetes Objekt und stieß schließlich auf das seit 1968 leer stehende und baufällige Denkmal. „Ich empfand es als wirklich authentisch, da seit dem Bau kaum Veränderungen an dem Haus vorgenommen worden waren und ich erkannte sein Potenzial“, erinnert sich Reichelt. Sie sei neugierig geworden und habe begonnen, die Geschichte des Gebäudes und der Hugenotten zu erforschen, für die es in Brandenburg kaum noch Beispiele gibt. Zusammen mit Behning gründete sie den gemeinnützigen Verein Hugenottenhaus Hammelspring, in dem Bewohner aus dem Dorf Mitglied wurden. Behnings Schwiegereltern und seine Frau überließen das Gebäude per Erbbaurecht. „Über die Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) haben wir das Gebäude 2013 zunächst durch ein Notdach gesichert“, erinnert sie sich an die Anfänge.
Inzwischen seien bereits rund 143.000 Euro Fördermittel der Stiftung in die Instandsetzung des Denkmals geflossen, sagt DSD-VizePressesprecher Thomas Merz. Grund dafür sei vor allem, dass das Gebäude in großen Teilen völlig unverbaut in seiner Originalsubstanz erhalten geblieben sei.
„Es handelt sich um ein gut erhaltenes Mittelflurhaus, ist bauhistorisch wertvoll und ein Zeugnis der Landesgeschichte, da es als eines der letzten seiner Art an die Aufnahmen und erfolgreiche Ansiedlung der Hugenotten erinnert“, ergänzt Christoph Krauskopf, Sprecher des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpf lege (BLDAM). Etwa 20.000 französische Glaubensf lüchtlinge hatten sich demnach vor mehr als 300 Jahren im damaligen Brandenburg-Preußen
angesiedelt – gewissermaßen auf Einladung des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I., der nach den starken Bevölkerungsverlusten im 30-Jährigen Krieg Kolonisten gewinnen wollte und ihnen dafür Privilegien anbot – etwa die Übernahme von verlassenen Gehöften, Geld und Materialien für den Wiederaufbau sowie Steuervergünstigungen.
Ein Viertel der französischen, im eigenen Heimatland verfolgten Protestanten zog laut BLDAM nach Berlin, die anderen kamen in Städte und Dörfer der Mark Brandenburg – so ab 1698 auch nach Hammelspring, das damals nur noch neun Einwohner zählte, wie es in der Ortschronik verankert ist. Elf Hugenottenfamilien mit insgesamt 85 Angehörigen ließen sich in der Folge hier nieder. Erhalten geblieben sei nur noch ein Haus, das bis 1968 durchgängig von Nachfahren der einstigen Kolonisten
bewohnt worden war und heute als das Älteste in Hammelspring gilt, bestätigt Ortsvorsteher Olaf Neumann (parteilos). „Anfangs überwog im Dorf die Skepsis. Als die Außenhülle fertig saniert war, das Gebäude zusehends hübscher wurde, wuchs das Interesse“, beobachtete er.
Neumann freut sich über das Engagement des aktuell 16 Mitglieder zählenden Vereins für „ein besonderes Stück Dorfgeschichte“und über die künftige Nutzung. Das Denkmal soll laut dem Verein spätestens Mitte 2025 im Erdgeschoss Räume für die mehr als ein Dutzend Vereine des 570-Seelen-Dorfes bieten. Im Dachgeschoss ist ein Museum zur Hugenotten-Geschichte in Brandenburg und der Uckermark geplant. Nach Recherchen des Vereins bot sie einst rund 2000 bis 3000 französischen Glaubensflüchtlingen eine Heimat und wurde zum Hauptsiedlungsgebiet der Hugenotten in der Mark Brandenburg. Diese brachten unter anderem den Tabakanbau in die Region.
„Für den Ort entsteht zudem ein neuer Treffpunkt für das Gemeinschaftsleben – nachdem die zwei Gaststätten schon vor Jahren geschlossen wurden, es auch keine Feuerwehr, keine Schule und keinen Lebensmittelladen mehr gibt“, sagt Reichelt. Rund 400.000 Euro, sagt die Vereinsvorsitzende, seien inzwischen in die Rettung des Hammelspringer Hugenottenhauses geflossen. Der Landkreis Uckermark hatte Geld dazugegeben, außerdem sammelte der Verein zahlreiche Spenden. Dank Fördermitteln aus dem Leader-Programm des Brandenburger Agrarministeriums läuft aktuell der Innenausbau. „Jetzt kommt der Lehmputz wieder an die Wände, im Sommer dieses Jahres folgt die Farbgestaltung“, sagt die Bauingenieurin und weist auf freigelegte blaue Striche an unterschiedlichen Stellen. Dieselbe Gestaltung findet sich als Rahmen auf dem weiß gestrichen Gefache der Außenhülle.