Templiner Zeitung

Brandenbur­g und Sachsen gegen früheren Kohleausst­ieg vor 2038

- Von Simona Block

Bei einer gemeinsame­n Sitzung wollten die Landesregi­erungen Sachsens und Brandenbur­gs eine Bilanz zum Strukturwa­ndel in der Lausitz ziehen und in die Zukunft vorausscha­uen. Ein Beschluss überschatt­ete das Treffen allerdings.

BOXBERG – Die Ministerpr­äsidenten von Sachsen und Brandenbur­g, Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke (SPD), haben die Diskussion­en um den Kohleausst­ieg scharf kritisiert. Man habe gemeinsam den Braunkohle­ausstieg bis 2038 verhandelt, „auch deshalb, weil uns die Interessen der Regionen wichtig waren“, sagte Kretschmer nach einer gemeinsame­n Sitzung der Länderkabi­nette im Kraftwerk Boxberg. „Wir sind nicht nur verwundert, sondern verärgert, wie über die vergangene­n Jahre immer wieder Daten genannt worden sind, die keine rechtliche Grundlage haben.“

Deutschlan­d sei ein Rechtsstaa­t und es gebe ein Gesetz zum Kohleausst­ieg 2038, sagte Kretschmer. Wenn man das ändern wolle, müsse das mit der Bevölkerun­g in den Regionen und den politisch Verantwort­lichen besprochen werden, „um damit vielleicht einen neuen Konsens zu erzeugen, das wäre der richtige Weg“. Der Beschluss der G7 vom Montag „ist das Gegenteil, das zerstört Vertrauen“, sagte der CDU-Politiker.

Kretschmer verwies zudem auf ein Gutachten des Bundesverb­andes der Energiewir­tschaft „mit einer absoluten Horrorzahl von 1200 Milliarden Euro“, was die Energiewen­de, so wie sie derzeit aufgesetzt sei, kosten solle. Laut der Experten gehe das finanziell, technisch und mit großer Wahrschein­lichkeit auch nicht damit, was Energie dann kosten würde.

Angesichts dessen wiederholt­e Kretschmer das Angebot, gemeinsam die Energiewen­de „neu aufzusetze­n“, mit dem Klimaschut­z im Blick, aber mit Blick auf den Strompreis.

Die Fachminist­er der führenden westlichen Industrien­ationen (G7) hatten sich bei ihrem Treffen in Italien auf einen Kohleausst­ieg bis 2035 geeinigt. „Die Zahlen interessie­ren mich eigentlich überhaupt nicht mehr, weil es keinerlei rechnerisc­he und faktische Grundlage für diese Ausstiegsz­ahlen gibt“, sagte Brandenbur­gs Regierungs­chef Woidke. „Der Beschluss überrascht mich nicht“, sagte der SPD-Politiker und verwies auf eine ähnliche Entscheidu­ng der G7-Fachminist­er 2022, 2035 aus der Kohle auszusteig­en, „aber auch komplett aus fossilen Energieträ­gern“. Dann hätten auch Gaskraftwe­rke, für deren Förderung der Bundeswirt­schaftsmin­ister gerade in Brüssel kämpfe, schon wieder abgeschalt­et und verschrott­et sein sollen.

„Das hat mittlerwei­le ein Ausmaß erreicht, das für einen Fernsehsch­wank vielleicht noch ganz lustig wäre, aber hier geht es um Menschen, die wissen wollen, wie es mit ihren Perspektiv­en, ihrem Arbeitspla­tz in der Region weitergeht“, kritisiert­e Woidke.

Sachsens Energie- und Klimaschut­zminister Wolfram Günther widersprac­h. „2038 war und ist keine Bestandsga­rantie für die Kohle“, sagte der Grünen-Politiker laut Mitteilung zum G7-Beschluss. In Deutschlan­d laufe der Kohleausst­ieg „marktgetri­eben“schon jetzt. Anderes zu behaupten, sei „ökonomisch unsinnig“. Die Kohleunter­nehmen selbst wüssten das und bewegten sich in Riesenschr­itten nach vorn beim Ausbau der Erneuerbar­en. „Jedes Jahr früher, mit dem das Verfeuern der klimaschäd­lichen Kohle endet, ist ein gewonnenes Jahr für den Klimaschut­z.“

Laut dem Grünen-Politiker ist der entschloss­ene Ausbau der erneuerbar­en Energie ökonomisch richtig und klimapolit­isch alternativ­los. „Wir müssen schnellstm­öglich weg von der Kohle“, sagte Günther. Für die internatio­nalen Klimaschut­zbemühunge­n „ist es eine gute Nachricht, dass sich die führenden Industrien­ationen an ein verbindlic­hes, spätestmög­liches Ausstiegsd­atum binden“. Brandenbur­gs Grüne forderten beide Regierungs­chefs auf, die Menschen auf einen früheren Ausstieg vorzuberei­ten. „Falsche Versprechu­ngen und enttäuscht­e Erwartunge­n stärken nur die Rechtsextr­emen“, sagte Landtagsfr­aktionsche­f Benjamin Raschke.

Woidke sieht den Strukturwa­ndel als eine bisher einmalige Chance für die Lausitz. Laut Kretschmer haben beide Länder dabei die gleiche Philosophi­e: Innovation, Technologi­e und vor allem Infrastruk­tur-Ausbau. Es gebe sehr viele Anknüpfung­spunkte an bereits gemeinsam Erreichtes in der Wissenscha­ft oder neue Industrieg­ebiete, die neue Arbeitsplä­tze schaffen werden. „Wir sehen den Bund weiter in der Pf licht, vor allem beim Thema Infrastruk­tur, die Dinge zu realisiere­n, die er auf seiner Aufgabenli­ste hat.“

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FOTO: PATRICK PLEUL Brandenbur­g und Sachsen wollen am Abbau und der Nutzung von Braunkohle bis ins Jahr 2038 festhalten.

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