Brandenburg und Sachsen gegen früheren Kohleausstieg vor 2038
Bei einer gemeinsamen Sitzung wollten die Landesregierungen Sachsens und Brandenburgs eine Bilanz zum Strukturwandel in der Lausitz ziehen und in die Zukunft vorausschauen. Ein Beschluss überschattete das Treffen allerdings.
BOXBERG – Die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke (SPD), haben die Diskussionen um den Kohleausstieg scharf kritisiert. Man habe gemeinsam den Braunkohleausstieg bis 2038 verhandelt, „auch deshalb, weil uns die Interessen der Regionen wichtig waren“, sagte Kretschmer nach einer gemeinsamen Sitzung der Länderkabinette im Kraftwerk Boxberg. „Wir sind nicht nur verwundert, sondern verärgert, wie über die vergangenen Jahre immer wieder Daten genannt worden sind, die keine rechtliche Grundlage haben.“
Deutschland sei ein Rechtsstaat und es gebe ein Gesetz zum Kohleausstieg 2038, sagte Kretschmer. Wenn man das ändern wolle, müsse das mit der Bevölkerung in den Regionen und den politisch Verantwortlichen besprochen werden, „um damit vielleicht einen neuen Konsens zu erzeugen, das wäre der richtige Weg“. Der Beschluss der G7 vom Montag „ist das Gegenteil, das zerstört Vertrauen“, sagte der CDU-Politiker.
Kretschmer verwies zudem auf ein Gutachten des Bundesverbandes der Energiewirtschaft „mit einer absoluten Horrorzahl von 1200 Milliarden Euro“, was die Energiewende, so wie sie derzeit aufgesetzt sei, kosten solle. Laut der Experten gehe das finanziell, technisch und mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht damit, was Energie dann kosten würde.
Angesichts dessen wiederholte Kretschmer das Angebot, gemeinsam die Energiewende „neu aufzusetzen“, mit dem Klimaschutz im Blick, aber mit Blick auf den Strompreis.
Die Fachminister der führenden westlichen Industrienationen (G7) hatten sich bei ihrem Treffen in Italien auf einen Kohleausstieg bis 2035 geeinigt. „Die Zahlen interessieren mich eigentlich überhaupt nicht mehr, weil es keinerlei rechnerische und faktische Grundlage für diese Ausstiegszahlen gibt“, sagte Brandenburgs Regierungschef Woidke. „Der Beschluss überrascht mich nicht“, sagte der SPD-Politiker und verwies auf eine ähnliche Entscheidung der G7-Fachminister 2022, 2035 aus der Kohle auszusteigen, „aber auch komplett aus fossilen Energieträgern“. Dann hätten auch Gaskraftwerke, für deren Förderung der Bundeswirtschaftsminister gerade in Brüssel kämpfe, schon wieder abgeschaltet und verschrottet sein sollen.
„Das hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das für einen Fernsehschwank vielleicht noch ganz lustig wäre, aber hier geht es um Menschen, die wissen wollen, wie es mit ihren Perspektiven, ihrem Arbeitsplatz in der Region weitergeht“, kritisierte Woidke.
Sachsens Energie- und Klimaschutzminister Wolfram Günther widersprach. „2038 war und ist keine Bestandsgarantie für die Kohle“, sagte der Grünen-Politiker laut Mitteilung zum G7-Beschluss. In Deutschland laufe der Kohleausstieg „marktgetrieben“schon jetzt. Anderes zu behaupten, sei „ökonomisch unsinnig“. Die Kohleunternehmen selbst wüssten das und bewegten sich in Riesenschritten nach vorn beim Ausbau der Erneuerbaren. „Jedes Jahr früher, mit dem das Verfeuern der klimaschädlichen Kohle endet, ist ein gewonnenes Jahr für den Klimaschutz.“
Laut dem Grünen-Politiker ist der entschlossene Ausbau der erneuerbaren Energie ökonomisch richtig und klimapolitisch alternativlos. „Wir müssen schnellstmöglich weg von der Kohle“, sagte Günther. Für die internationalen Klimaschutzbemühungen „ist es eine gute Nachricht, dass sich die führenden Industrienationen an ein verbindliches, spätestmögliches Ausstiegsdatum binden“. Brandenburgs Grüne forderten beide Regierungschefs auf, die Menschen auf einen früheren Ausstieg vorzubereiten. „Falsche Versprechungen und enttäuschte Erwartungen stärken nur die Rechtsextremen“, sagte Landtagsfraktionschef Benjamin Raschke.
Woidke sieht den Strukturwandel als eine bisher einmalige Chance für die Lausitz. Laut Kretschmer haben beide Länder dabei die gleiche Philosophie: Innovation, Technologie und vor allem Infrastruktur-Ausbau. Es gebe sehr viele Anknüpfungspunkte an bereits gemeinsam Erreichtes in der Wissenschaft oder neue Industriegebiete, die neue Arbeitsplätze schaffen werden. „Wir sehen den Bund weiter in der Pf licht, vor allem beim Thema Infrastruktur, die Dinge zu realisieren, die er auf seiner Aufgabenliste hat.“