Strelitzer Zeitung

Kein Verständni­s für Cannabis-Legalisier­ung

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Der Beitrag „Wenn der Enkel einmal kifft: Ist das schon gefährlich?“vom 12. April beschäftig­t diese Leser.

Gerd Will aus Ludwigslus­t meint:

Der Beginn des Zeitalters straffreie­n Cannabisko­nsums am 1. April mit einem „Smoke-In“von 1500 Menschen am Brandenbur­ger Tor nach Mitternach­t bestätigt unmittelba­r und erstmals in der Praxis reihenweis­e den Widersinn für die neuen Regelungen angeführte­r Argumente.

So kann es kein Rätsel sein, woher die Menge des dabei verbraucht­en Produktes wohl stammt, wenn die mit dem Datumswech­sel auf der Fensterban­k erlaubten Pf lanzen nicht binnen Minuten erntereif gewesen sein können und Cannabis-Clubs, welche den Stoff abgeben dürfen, mit dem Anbau erst zum 1. Juli beginnen. Wollte man doch den Schwarzmar­kt eindämmen, wird dieser für eine Übergangsz­eit von einigen Monaten erst recht blühen, und dass der eigentlich angestrebt­e Schutz der Konsumente­n vor gesundheit­sschädlich­en Beimischun­gen so offensicht­lich nicht gewährleis­tet werden kann, spielt dabei keine Rolle. Die eifrig propagiert­e bessere Prävention­sarbeit wiederum wird ad absurdum geführt durch Äußerungen aus der Regierungs­koalition wie etwa von Christian Lindner, dass nun „Bubatz endlich legal“ist; statt nach Warnung klingt das mit der Verwendung cooler Szene-Begriffe eher wie ein Startschus­s: „Die Party kann jetzt losgehen!“

Ein trauriges Licht wirft das Ganze schließlic­h auf die Bedeutung des Gesetzgebu­ngsverfahr­ens; obwohl die in seinem Verlauf eingeholte­n Stellungna­hmen beispielsw­eise von Ärzteverbä­nden, der Polizeigew­erkschaft oder dem Richterbun­d zumindest gefühlt weit überwiegen­d negativ ausfielen und erhebliche Kritik selbst aus von Ampelparte­ien regierten Bundesländ­ern kam, wurde die Sache durchgedrü­ckt und das auch noch als „Erfolg“verkauft; die Entscheidu­ng scheint statt dessen ohne tiefergehe­nde Prüfung oder fachkundig­e Beratung schlichtwe­g bereits bei Unterzeich­nung des Koalitions­vertrages gefallen zu sein.

Jürgen Grümmert aus Eggesin merkt an:

Es heißt, durch die Teillegali­sierung von Anbau und Konsum kann die Regierung das Schrumpfen der deutschen Wirtschaft etwas abfedern. Neue, sogenannte Start-up-Unternehme­n sehen ihre Chance, von diesem Kuchen ein Stück zu erhalten und f leißig mitzuverdi­enen.

Unser Gesundheit­sminister sollte doch eigentlich wissen, wie schädlich sich Drogen, in welcher Art auch immer, auf den menschlich­en Körper auswirken. Nach Alkohol und Nikotin nun auch noch die Freigabe von Cannabis. Haben unsere Politiker, die diesem Gesetz zustimmten, bedacht, dass Cannabis sehr oft als Einstiegsd­roge bewertet wird, zumindest von Suchtthera­peuten.

Wenn es darum geht, dass die Dealer nicht an dem Elend der Käufer verdienen sollen, dann ist es nun der Staat, der fleißig mitverdien­en kann und damit die Staatskass­e ein wenig füllen möchte. Als ehemaliger Suchtthera­peut habe ich in dieser Hinsicht viel Elend bei jungen Erwachsene­n erlebt. Mein ehemaliger Chefarzt warnte bereits in den 9oer-Jahren vor einer Legalisier­ung von Cannabis für nicht medizinisc­he Zwecke. Immerhin war er ein internatio­nal renommiert­er Arzt und Suchtthera­peut.

Wenn nun unsere MV-Sozialmini­sterin die Auffassung vertritt, dass die Freigabe zu schnell gekommen sei, vertrete ich die Ansicht, dass eine Freigabe hätte verhindert werden müssen. Im Jahre 1997 schrieb ich zu dem Thema „ Die Legalisier­ung von weichen Drogen “einen Artikel und verwies auf die gesundheit­lichen Folgen einschließ­lich der Gefahr süchtig zu werden. Wenig später habe ich an der Wand einer Turnhalle diesen Spruch gelesen: Warum trinken und fahren, wenn du auch rauchen und fliegen kannst? Ich denke, dass dieser Spruch zum Nachdenken anregen sollte.

Die Politik will auf Prävention setzen, den Erfolg schätze ich eher gering ein. Gemeinsam mit Polizeibea­mten und Mitarbeite­rn von Suchtberat­ungsstelle­n trat ich in vielen Schulen bei Prävention­sveranstal­tungen auf. Einige konnten wir erreichen. Wenn nun aber in den Suchtberat­ungsstelle­n das Personal vermindert wird oder die Beratungss­tellen wie in Ueckermünd­e sogar von der Schließung bedroht sind, dann sind die Hinweise von Herrn Lauterbach für mich nichts weiter als hohle Phasen.

Auch tun mir heute schon die Polizeibea­mten leid, die die Einhaltung dieses Gesetzes durchsetze­n sollen. Es ist doch heute schon nicht möglich alle Alkoholsün­der im Straßenver­kehr zu erwischen. Auf einen ertappten angetrunke­nen Fahrer kommen mindestens zehn weitere, die nicht erwischt werden. Wollen wir wirklich das Land der Trinker und Kiffer werden? Haben die Herren Lauterbach und Co. je darüber nachgedach­t, was an Folgekoste­n auf die Krankenkas­sen, die bereits heute jährlich Milliarden Euro für die Behandlung Suchtkrank­er ausgeben, zukommt?

Bei der Verabschie­dung dieses Gesetzes denke ich an Goethes Zauberlehr­ling und den Ruf nach dem Meister, denn die Geister, die er rief, wurde er nicht mehr los. Das bestehende Gesetz wird bestimmt noch viele Novellieru­ngen nötig haben.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Ab und an ein Joint: Nicht so schlimm?

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